1909 -
Karlsruhe
: Braun
- Autor: Schiedermair, Josef, Glock, August
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1907
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realgymnasium, Realschule, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
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Das Wirtschaftsleben
944 Auf der sog. Stufe der geschloffenen Hauswirt-
schaft (Eigenproduktion, taufchlofe Wirtschaft) erzeugte jede Haus-
wirtschaft im wesentlichen selbst durch die eigenen Familienmitglieder
oder durch Sklaven, Hörige oder Leibeigene die Güter, deren sie
bedurfte (Nahrungsmittel, Kleidung, Waffen usw.). Dies war die
Wirtschaftsform des alten Griechenland und des römischen Reichs in
den frühesten Zeitperioden, sowie der germanischen und romanischen
Völker im frühen Mittelalter.
945 Es folgte die sog. Stufe der Stadtwirtschaft, für
die die deutschen Städte des Mittelalters das beste Beispiel liefern.
Aus dem hörigen Fronarbeiter der ersten Epoche wurde der freie
Bauer und der freie Handwerker. So entstanden die einzelnen Be-
rufsstände. Aus den geschlossenen Hauswirtschaften des Adels, der
Kirchenfürsten und der Klöster entwickelten sich die Einzelwirtschaften
der Städte, gekennzeichnet dadurch, daß jede Stadt und ihre wirt-
schaftlich dazu gehörige Umgebung ein in sich im wesentlichen abge-
schlossenes Produktions- und Absatzgebiet bildete. Hier gab es noch
keinen Zwischenhandel; der Konsument mußte die Ware unmittelbar
vom Produzenten erwerben, und nur der einheimische Handwerker
hatte das Recht, aus dem einheimischen Markte seine Waren zu ver-
kaufen. Der Handwerkerstand war in sog. „Zünften" organisiert,
die iiber den Gewerbebetrieb ihrer Mitglieder strenge Aufsicht
übten. Einen über das Stadtgebiet hinausgreifenden Handel gab es
damals fast nur aus deu Jahrmärkten und Messen und nur für
Waren, die in der Stadt nicht erzeugt werden konnten, wie Ge-
würze und Südfrüchte, Pelze, seine Tuchwaren u. dgl.
946 Der Anbruch der dritten Wirtschaftsepoche, der Stufe itrt =
serer heutigen Volkswirtschaft, hängt in Deutschland zu-
sammen mit dem Erstarken der landesfürstlichen Macht gegenüber
den bisher unabhängigen Städten und dem Landadel. Die Landes-
fürsten strebten darnach, ihr Territorium auch wirtschaftlich als Ein-
heit zu gestalten; sie setzten an Stelle der einzelnen städtischen Mün-
zen ihre Landesmünzen, erließen Landesordnungen, die das
Markt-, Gewerbe- und Handelsrecht einheitlich regelten, und schufen
auf diese Weise größere, einheitliche Wirtschaftsgebiete an Stelle der
bisherigen zahlreichen kleinen. Die Vereinigung der deutschen Staa-
ten im Deutschen Zollverein (im Jahre 1831 u. folg.) und die Grün-
dung des neuen Deutschen Reiches gaben endlich dem deutschen Volke
das, was die westeuropäischen Staaten schon seit Jahrhunderten
besaßen, ein einheitliches Wirtschaftsgebiet, eine nationale Volks-
wirtschaft.
947 Aber die neuzeitliche Volkswirtschaft macht nicht Halt an den
Staatsgrenzen. Kein Staat kann sich mehr wirtschaftlich von dem