1909 -
Karlsruhe
: Braun
- Autor: Schiedermair, Josef, Glock, August
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1907
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realgymnasium, Realschule, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Das Gewerbewesen
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Ii. Die geschichtliche Entwicklung des Gewerbes.
Das Gewerbe gelangte in Deutschland zuerst zur Ausbildung in 1185
den mittelalterlichen Städten. Dort rief das Bedürfnis des Schutzes
bereits in früher Zeit Vereinigungen der Gewerbetreibenden hervor,
die sog. Gilden, welche später als Zünfte und Innungen
bezeichnet wurden. Sie dienten zur Vertretung der Interessen ihrer
Mitglieder gegenüber den städtischer: Grundherren, zur gegenseitigen
wirtschaftlichen Unterstützung, zur Aufrechterhaltung der Ordnung
und zur Pflege der Geselligkeit. Unstreitig haben sie in ihrer Blüte-
zeit, welche in das 14. und 16. Jahrhundert fiel, das Gewerbe
mächtig gefördert. Allmählich aber verknöcherten sie und mißbrauch-
ten ihre Macht. Je mehr die innere Zerklüftung des Reichs, die
Mehrung der Zollschranken, die inneren Kriege, besonders der Dreißig-
jährige Krieg, eine Verarmung des Volkes herbeiführten, desto mehr
suchten die Zünfte das Einkommen ihrer Mitglieder zu sichern und
jede Konkurrenz fernzuhalten durch Ausbildung des Zunftzwanges,
durch übermäßige Ausdehnung des Lehrganges und Verteuerung des
Meisterwerkes, durch Erschwerung der Niederlassung und durch Aus-
dehnung der sog. Zwangs- und Bannrechte, vermöge deren die Ein-
wohner bestimmter Bezirke oder einzelne Klassen verpflichtet
waren, ihre Bediirfnisse bei den Zunftmitgliedern zu decken.
Jeder Fortschritt im Handwerk wurde gehemmt und besonders die ”86
Anwendung neuer Erfindungen wurde verhindert, indem die Zünfte
genaue und bindende Vorschriften über die technische Handhabung der
einzelnen Gewerbebetriebe erließen. Ebenso stemmten sie sich selbst-
verständlich der Ausbildung des Fabrikbetriebes entgegen. Vergebens!
Die großen Erfindungen des vergangenen Jahrhunderts führten
durch die neuen Maschinen eine völlige Umgestaltung der Technik deö
Gewerbebetriebs herbei und gaben den Anstoß zu den wirtschaftlichen
und sozialen Umgestaltungen unserer Zeit, unter deren Druck auch die
Fesseln des alten Zunftwesens zersprangen. An die Stelle des Zunft-
zwanges trat in Deutschland -im Laufe des vorigen Jahrhunderts
der Grundsatz der Gewerbefreiheit, welcher mit den
nötigen Einschränkungen auch unsere heutige Gewerbegesetzgebung
noch beherrscht.
Die wirtschaftlichen Umwälzungen der neuesten Zeit haben das 1187
Handwerk aus manchen Gebieten des gewerblichen Lebens verdrängt *
und zwei neue Betriebssysteme ausgebildet, die sog. Hausindu-
strie und den F a b r i k b e t r i e b.
4 Dagegen wird das Handwerk auf den Gebieten, welche cs jetzt noch
inne hat, sich wyhl im wesentlichen behaupten und auch künftig bei fleißiger
Ausübung und Verwendung der von der heutigen Technik gebotener: Hilfs-
mittel ausreichenden Erwerb sichern.