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1911 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Knoke, Arnold
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Von Kindern sind vollständig auf die Hilfe fremder Menschen an-
gewiesen die elternlosen Kinder (Waisen oder von den Eltern verlassene
Kinder). Sie können Aufnahme in Waisenhäusern (in andern Ländern
auch in Findelhäusern) finden. Das erste größere Waisenhaus ist von
A. H. Francke in Halle 1698 gegründet worden. Für Militär-Waisenknaben
ist das große Militär-Waisenhaus in Potsdam (seit 1724 bestehend)
bestimmt. Andere Waisenhäuser sind vom Staat, von Gemeinden oder
von Privatleuten errichtet.
Manche Waisenanstalten suchen ihren Kindern einen Ersatz für das
verloren gegangene Familienleben zu bieten, indem sie Gruppen von 8—12
Pfleglingen in besonderen Häusern (cottages) bilden (so z. B. das Rauhe
Haus). Vielfach werden Waisen auch direkt in fremden Familien, größten-
teils auf dem Lande untergebracht. In dieser Art der Unterbringung kann
der Segen der Familienerziehung inmitten der praktischen Verhältnisse
des gewöhnlichen Lebens erzielt werden.
Für Vollwaisen ist stets eine Vormundschaft notwendig, ebenso nach
den zurzeit noch geltenden Gesetzesbestimmungen für uneheliche Kinder.
Die Fürsorge für diese beginnt mit einem sozialen und wirtschaftlichen
Schutz der treulos verlassenen Mutter vor, während und nach der Geburt.
Der Vater wird zur Unterhaltungspflicht herangezogen, die Kinder können
einer Familie zur Aufziehung gegen Entgelt übergeben werden, ihre Pflege
wird dann polizeilich überwacht.
Die Unterbringung in einer fremden Familie oder in einer besonderen
Erziehungs- oder Besserungsanstalt kann zwangsweise als Fürsorgeerziehung
im Reiche durch eine vormundschaftsgerichtliche Verfügung angeordnet
werden, wenn das geistige oder leibliche Wohl des Kindes durch Ver-
schulden des Vaters oder des Vormundes gefährdet wird, desgleichen durch
strafrichterliche Verfügung, wenn der Minderjährige im Alter von 12 — 18
Jahren eine strafbare Handlung begangen hat, aber freizusprechen war,
weil er bei Begehung derselben die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit er-
forderliche Einsicht nicht besaß (§ 56 Stgb.), sodann, wenn der Minder-
jährige bei Begehung der strafbaren Handlung das 12. Lebensjahr noch
nicht vollendet hat und deshalb wegen derselben nicht strafrechtlich verfolgt
werden kann — im letzteren Falle mit Einwilligung des Vormundschafts-
gerichts.
Rach Kennzeichnung dieser zwei besonderen Arten von Fürsorgekindern
kommen wir dazu, im allgemeinen die Einrichtungen hier zu würdigen, die
zum Schutze der hilfsbedürftigen Jugend vielerorten getroffen worden sind,
und zwar unabhängig von ihrem Anteil an der Unterstützung, die der
ganzen Familie im Bedürfnisfalle gewährt wird.
Der Säuglingsfürsorge hat bereits eine Reihe von Gemeinden
ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Um der betrübend großen
Säuglingssterblichkeit entgegenzutreten, haben verschiedene Städte Mutter-