1911 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Knoke, Arnold
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Art dieser entnehmen wir wiederum aus dem Beruf der gewöhnlichen
Wirte, die es sich zur Aufgabe stellen, in erster Linie die leiblichen Be-
dürfnisse ihrer Gäste zu befriedigen. Es handelt sich bei den wirtschaft-
lichen Gütern in der Hauptsache um äußere Güter. Jede Tätigkeit nun,
die sich darauf richtet, derartige als notwendig empfundene äußere Güter,
die zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse dienen sollen, zu be-
schaffen, nennt man eine wirtschaftliche Tätigkeit. Die einfachste
dieser Tätigkeiten wäre die der Okkupation, d. h. der mühelosen Hin-
nahme oder Aneignung herrenloser Güter, dann die der Produktion,
d. h. der Herstellung neuer wirtschaftlicher Güter, endlich die des Tausches,
d. h. des Überganges der einen wirtschaftlichen Güter gegen andere aus
dem Besitz des einen in den Besitz des andern. Bei der Produktion oder
Herstellung neuer wirtschaftlicher Güter unterscheiden wir drei Produktions-
faktoren oder Produktionselemente: Natur, Arbeit, Kapital.
Natur ist das ursprünglichste Produktionselement, liefert ewig neue
Güter, bleibt deshalb in allen Zeiten von der größten Wichtigkeit.
Arbeit im wirtschaftlichen Sinne ist die mit Kraftaufwendung ver-
bundene Tätigkeit des Menschen zum Zweck der Güterbeschaffung.
Mit dem Namen Kapital bezeichnet man alle Produktionsmittel,
d. h. alle Güter, mittelst deren man sich andere wirtschaftliche Güter ver-
schaffen kann. Bei den Kapitalgütern unterscheiden wir bewegliche und
unbewegliche oder Mobilien und Immobilien. Wird ein Kapitalgut
durch Tausch zum Beschaffen anderer Güter verwandt, so heißt es Tausch-
gut oder Ware. Wird dies Tauschgut allgemein als Tauschmittel an-
erkannt, der Wert aller übrigen Tauschgüter (der „Tauschwert") an
ihm abgemessen, ihr „Preis" bestimmt, so wird es damit zum Geld,
das übrigens noch nicht Metallgeld zu sein braucht. Das Kapital, das in
der Form des Geldes vorhanden ist, nennt man flüssiges Kapital.
Anlagekapital ist ein Kapital, das in Produktionsmitteln bleibender
Form besteht (Fabrikgebäude, Maschinen, Werkzeuge), Betriebskapital
solches, das in Produktionsmitteln sich ändernder Form besteht (zu ver-
arbeitende Stoffe, Arbeitslöhne). Das Operieren mit Tauschgütern oder
der Tauschverkehr gestattet, daß der einzelne Mensch sich nicht abzumühen
braucht, diejenigen Güter, nach denen er ein Bedürfnis empfindet, sämtlich
in eigener Tätigkeit herzustellen, sondern daß er seine Arbeit auf die Pro-
duktion bestimmter Güter beschränkt, diese aber in solcher Anzahl produziert,
daß er von andern Menschen, die es ähnlich gemacht mit andern Gütern,
diese ihm fehlenden Güter einzutauschen vermag. Wir haben so Arbeits-
teilung, über die später noch zu sprechen sein wird.
Was ist nun Wirtschaft? Gewissermaßen die in ein System ge-
brachte, methodisch zusammengefaßte wirtschaftliche Tätigkeit oder die plan-
mäßig geordnete Tätigkeit des Menschen zur Befriedigung seiner Bedürfnisse.
Volkswirtschaft ist die planmäßig geordnete Gesamttätigkeit des