1911 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Knoke, Arnold
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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bedürfnisse haben, er muß entweder ausweichen (auswandern) oder sich die
Weide erkämpfen.
Von den drei Produktionselementen leistet die Natur das Notwendige
durch Lieferung der Existenzmittel für das Vieh; die Arbeit besteht noch
nicht immer in der eigentlichen Viehzucht, von der bei halbwilden Herden
nicht gut die Rede sein kann.
Kapital sind die Viehherden, die sich vermehren lassen. Bei Ver-
schiedenheit im Anwachsen bilden sich Kapitals- oder Vermögens-
unterschiede, Unterschiede von größerem oder kleinerem Besitz, von
Reich und Arm.
4. Die Stufe der echten Ackerb au Völker. Die Anfänge des
Ackerbaus haben wir im sogenannten Hackbau, wie wir ihn noch jetzt bei
den Indern, den Malaien finden. Gewöhnlich von Frauen wird der Boden
mit der Hacke oder mit der Hand durchfurcht, Samen eingestreut und mit
Erde bedeckt, der Natur das weitere überlassen. Arbeit und Kapital des
Menschen spielen bei dieser primitiven Art von Ackerbau nur eine gering-
wertige Rolle. Ein bedeutender Fortschritt in der wirtschaftlichen Ent-
wicklung wird erreicht, wenn der Ackerbau zur Hauptbeschäftigung eines
Volkes wird. Planmäßig wird unter Beteiligung sämtlicher arbeitsfähiger
Glieder des Volkes der Boden bearbeitet mit der Hacke oder dem Grabstock
oder auch Pflug. Der Mann wählt die ihm passenden Getreidesorten aus,
die Ernte nimmt die Kräfte aller gehörig in Anspruch, der Vorrat muß
in besonderen Aufbewahrungsräumen geborgen werden für die erntelose
Zeit: alles in allem gerechnet, kommt auf dieser Stufe die Arbeit des
Menschen sehr in Frage. Der Übergang vom Nomadentum zum Ackerbau
bringt eine fundamentale Veränderung mit sich: das Volk zieht nicht mehr
umher, sondern wird seßhaft; für den einzelnen wird damit der Antrieb
gegeben, sich eine feste Wohnstätte zu erbauen, dies hat einen hervor-
ragenden Einfluß auf die Weiterentwicklung des Privateigentums. Hierin
liegt ein kulturelles Element. Die Möglichkeit, dem eigenen Interesse zu
dienen, hat stets zu besonderen Anstrengungen des Körpers und Geistes
angeregt.
Anderseits steht dem einen Privateigentum das andere Privateigentum
gegenüber, es erwächst die Notwendigkeit, die Rechte des einen den Rechten
des andern gegenüber abzugrenzen, gemeinsame Rechte dem einzelnen gegen-
über festzustellen. So vollzieht sich auf dieser Stufe bald die Ausbildung
einer festen Rechtsordnung als besonders notwendig.
5. Die Stufe der Gewerbe- und Handelsvölker. Auf
dieser Stufe wird zwar auch Ackerbau (und Viehzucht) betrieben, aber in
immer steigendem Maße entwickeln sich Handel und Gewerbe als selbständige
Berufsarten und übernehmen schließlich die Führung. Weil so die Kräfte
eines Volkes nicht einseitig sämtlich in dem einen Beruf der Landwirtschaft,
der direkten Nahrungsgewinnung aufzugehen brauchen, können sie auf all