1888 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Wolter, August
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Und was sagte denn nun das Vaterland zu diesen gewaltigen
Siegen, zu dem Kaiserfang in Sedan?
„Hurra, du große Zeit!" Ja, es war eine herrliche, tief
ergreifende und doch das Herz so gewaltig, so feierlich-freudig
bewegende Zeit. Männer, Greise, Frauen, Kinder jeden Standes,
jeden Berufes umstanden sprachlos im Vaterlande die öffentlich
angeschlagenen Nachrichten vom Kriegsschauplatz. Dann aber
wurde das Herz zu eng, um all den Jubel und all die himmel-
hoch jauchzende Freude im stillen Kämmerlein zu bergen. Ge-
waltig, unaufhaltsam brach der Sturm der Begeisterung los,
hinaustönend aus den Städten in die Dörfer und hinein bis in
die entlegenste Hütte der Waldeinsamkeit. Männern, deren Herz
hart geschmiedet war unter dem Hammer der Sorge und Mühe
des Lebens, stürzten die Thränen aus den Augen vor hellem
Jubel über solchen Beweis der göttlichen Gnade, Feinde ver-
söhnten sich mit kräftigem Handschlag. Mütter priesen ihre
Söhne glücklich, weil ihnen vergönnt war, an diesen weltbewegen-
den Ereignissen thätig teilnehmen zu dürfen, und der fromme
Emanuel Geibel sang:
Nun laßt die Glocken von Turm zu Turm
Durchs Land frohlocken im Jubelsturm!
Des Flammenstoßes Geleucht' facht an!
Der Herr hat Großes an uns gethan!
Ehre sei Gott in der Höhe!
Napoleon gefangen in Wilhelmshöhe bei Kassel! Die Armee
Mac Mahons kriegsgefangen in Deutschland! Marschall Bazaine
mit eisernem Ring eingeschlossen in Metz! Frankreich, das
kaiserliche Frankreich lag gedemütigt am Boden und fühlte
die Faust desjenigen, den es in frevelhaftester Weise so tief
verletzt. Aber König Wilhelm sagte bereits bei der Kapitulation
von Sedan zum Grafen von Bismarck: „So groß und welt-
historisch dieses Ereignis auch ist, den Frieden wird es uns doch
nicht bringen!" und der Monarch hatte recht. Es war aller-
dings, nachdem Napoleon gefangen und die als Regentin ein-
gesetzte Kaiserin Eugenie geflohen war, das Kaiserreich gestürzt,
aber ihm folgte auf dem Fuße die Republik, an deren Spitze
der Gouverneur von Paris trat. Gegen dieses republikanische
Frankreich mußte der Kampf jetzt fortgesetzt werden.
Die deutschen Heeresmassen, unter ihnen auch die Iii. Armee