1. Bd. 3
- S. 125
1899 -
Leipzig Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Richter, Albert
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Als das der Königstochter gesagt wurde, führten Horand und
Frute sie zu ihrem Vater und auch Hildeburg, eine ihrer Jung-
frauen, begleitete sie. Der König stand, als sie ankamen, von seinem
Sitze auf und sprach: „Sei willkommen, meine Tochter!" Nun
wollte ihm Hilde seine Wunden verbinden: er aber wollte die
Jungfrauen seine Wunden nicht schauen lassen. Dafür kam Wate
herbei, und unter seinen geschickten Händen ward der König bald
heil. Da ließ Hilde von ihrem Weinen ab.
Auch Hettel kam wieder herbei und lud Hagen ein, mit in
sein Land zu gehen. Der nahm die Einladung an. und nun zogen
alle, die heil waren, froh der Burg Hettels zu.
Alsbald ward auch Hilde als Königin im Hegelingenlande ge-
krönt. Fünfhundert junge Knappen empfingen dabei den Ritter-
schlag, und mit so großer Pracht ward das Fest gefeiert und so
große Ehre ward der jungen Königin zu teil, daß Hagen über
das Los seiner Tochter nur erfreut sein konnte.
Am zwölften Morgen nach dem Feste nahm Hagen Abschied
von seiner Tochter und von Hettel, seinem neuerworbenen Freunde.
Der Jungfrau Hildeburg, die bei ihrer Herrin blieb, empfahl Hagen,
daß sie dieselbe wohl pflege. Das versprach Hildeburg. Auch die
übrigen Jungfrauen, die mit Hilde in dem Hegelingenlande blieben,
ließ Hagen herbeirufen, und sie empfahl er der Gnade des Königs
Hettel.
Zu seiner Tochter aber sprach er: „Liebe Tochter, herrsche an
der Seite deines Gatten so, daß ich und deine Mutter nimmer
sagen hören, wie jemand Haß gegen dich im Herzen trage. Sei
auch mild und freigebig, denn es würde dir übel stehen, wenn du
bei so reichem Gute, wie du es hier besitzest, karg und geizig sein
wolltest." Da küßte die Tochter ihren Vater. und versprach zu
thun, wozu er sie ermahnt hatte. Darauf reiste Hagen ab.
Als er wieder zu Hause ankam und Hildens Mutter besorgt
nach ihrer Tochter fragte, gestand er gern, daß er seine Tochter
keinem andern mehr gönne, als dem Könige Hettel. Des ward die
Königin froh und lobte Gott. Auch war es ihr ein Trost, daß
Hildeburg bei ihrer Tochter geblieben war.
V. Nach dem Hochzeitsfeste ritten auch Hettels Helden wieder
heim; Wate ritt nach Stürmen, Morung nach Nifland, Horand nach
Dänemark, Jrold nach Ortland, und jeder diente in feinem Lande
dem Könige Hettel. Auch kamen sie manchmal nach der Burg des
Königs ; so Wate des Jahres dreimal. Horand aber kam noch öfter
und wurde von allen Bewohnern der Burg gern gesehen.
Mit seinem Weibe lebte Heitel fröhlich, und gern that er, was
ihr gefallen mochte. Hettels und Hildes größtes Glück waren ihre.