1910 -
Leipzig
: Voigtländer
- Autor: Giese, August
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
181
daß sie ihre Macht selbstsüchtig zu ihrer Bereicherung ausnutzen
und die anderen ausbeuten.
4. Eine andere Art gesellschaftlicher Unternehmungen sind
die Genossenschaften, das sind wirtschaftliche Ver-
einigungen, in denen kleine Leute mit geringem Kapital zu-
sammentreten, um durch solche Vereinigung die Vorteile des
Großkapitals beim Ein- und Verkauf von Waren oder bei Ver-
wendung von Geldern oder zu sonstigen wirtschaftlichen Zwecken
zu erreichen. Solche Genofsenschaften, deren Mitglieder alle
mit ihrem ganzen Vermögen haften, haben sich gebildet z. B.
als Versicherungsgesellschaften auf Gegenseitig-
keit, und es gibt so Feuer-, Hagel-, Vieh- und besonders
Lebcnsversicherungsgesellschaften; sie sind überaus
nützlich, schützen den einzelnen gegen die Folgen gewisser Schäden
und erfordern nur so viel Beiträge oder Prämien, als Ent-
schädigungen gezahlt worden sind; etwaige Gewinne kommen
nicht fremden Personen, sondern den Versicherten selbst zugute.
Ähnlich sind die genossenschaftlichen Unterstützungs- und
Sparkassen und besonders die Erwerbs- und Wirt-
schaftsgenossenschaften, die nach englischem Vorbild
durch Schulze-Delitzsch für den kleinen Gewerbestand, durch
Raiffeisen für die Landwirtschaft ins Leben gerufen worden sind.
Sie gewähren ihren Mitgliedern teils Vorschuß und Kredit,
teils dienen sie zum gemeinschaftlichen Einkauf von Rohstoffen
oder zunl gemeinsamen Verkauf von Erzeugnissen, wie
Milch und Butter, teils kaufen sie die zum gewöhnlichen Bedarf,
zum Konsum, notwendigen Waren, wie Lebensmittel und
Brennmaterial, gemeinsam ein und heißen danach Vorschuß-,
Kredit-, Rohstoff-, Molkerei-Genossenschaften und Konsumvereine.
Diese Genossenschaften erwerben sich durch Eintragung in
das beim Gericht geführte Genoffenschaftsregister die Rechte der
juristischen Person (S. 98). Sie können auch die Haft-
pflicht der Genoffen auf eine bestimmte Summe, je nach der
Höhe der Einlage, beschränken und heißen dann eingetragene
Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht (e. G. m. b. H.).
Alle Genossenschaften müssen einen Vorstand und einen
Aufsichtsrat haben, eine Liste ihrer Mitglieder führen und ihre
Geschäftsführung mindestens alle zwei Jahre prüfen lassen.
Eine besondere Art der Genossenschaften sind diegewerk-
schaften, die von mehreren Bergwerksinhabern gebildet
werden. Ihr Vermögen zerfällt in 100 (oder 1000) Anteile oder
Kuxe, die verkäuflich sind wie die Aktien; doch hat jeder In-
haber die Verpflichtung zu Nachzahlungen, falls Verluste
eintreten.