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1. 1870 - 1914 - S. 22

1918 - Halle (Saale) : Gesenius
22 schon 1895 eine wilde Pressehetze gegen Deutschland. Als nun im Dezember 1895 ein Engländer Dr. Fameson im Einverständnis mit dem Minister von Kapland Lecil Rhodes, dem eifrigsten Vorkämpfer und Begründer des englischen südafrikanischen Kolonialreiches, sich durch einen Überfall der Hauptstadt Pretoria bemächtigen wollte, wurde er von den Buren gefangen genommen. Die deutsche Regierung erhob gegen die Gewalttat Vorstellungen in London und sandte am 3. Januar 1906 ein Telegramm an den Vurenpräsidenten Krüger, in dem sie ihn be- glückwünschte, daß es ihm gelungen sei, den Friedensstörer festzunehmen und die ünabhängigkeit des Landes zu wahren. Diese Depesche erweckte in ganz Deutschland Helle Begeisterung, zumal der „neue Kurs" bisher vielfach sehr enttäuscht hatte. Sie entsprach eben dem Gerechtigkeits- gefühl des Volkes und macht ihm alle Ehre; aber politisch betrachtet, war sie doch ein Fehler. Denn da Deutschland keine leistungsfähige Flotte hatte und ohne Rückhalt an Rußland war, konnnte es dem see- beherrschenden England nicht entgegentreten. Deutschland trieb damals — wie so oft — Gefühls-, nicht Realpolitik, wie Bismarck, d. h. es fragte nicht, ob sein Verhalten ihm nützte oder schadete. Das unfehlbare Vis- marcksche Augenmaß für die nackte Machtlage der Dinge hatte gefehlt, sonst würde man sich weniger vorgewagt haben. In England aber erhob sich ein furchtbarer Cntrüstungssturm, der sich in den wütendsten Be- schimpfungen des Deutschen Kaisers und Reiches entlud und uns um so mehr überraschte, als wir uns über die weitschauenden Pläne Eng- lands — Schaffung eines großen südafrikanischen Kolonialreichs — nicht klar waren. Die englische Regierung hinderte den Zeitungssturm in keiner Weise und beeilte sich nun erst recht, den freien Vurenstaaten ein Ende zu machen. Deutschland aber blieb gar keine andere Wahl, als vor dem tatkräftigen Auftreten Englands zurückzuweichen; seitdem hielt es sich zurück, aber England war verstimmt. Die Krügerdepesche hat zwar noch nicht, wie vielfach geglaubt wird, den Bruch mit England herbeigeführt, aber sie bedeutet doch einen Wendepunkt im Verhältnis der beiden Staaten. Es entstand eine Mißstimmung, die nie wieder ganz gehoben ist, zumal damals die englische Lügenpresse des Schrift- stellers Harmsworth, des späteren Lord Rorthcliffe, gegründet wurde, die gegen uns hetzte.*) Dieses Gift hat immer weiter schamlos um sich gefressen und den gesunden Sinn des englischen Volks und der anderen Staaten zersetzt, was uns erst während des Weltkrieges klar wurde. Die Krügerdepesche war also ein Schlag ins Wasser, zumal auch Frankreich uns damals nicht unterstützte, sondern offen erklärte, daß Deutschland sein Feind sei, solange es Elsaß-Lothringen besitze. Da- durch war auch ein engerer Anschluß Deutschlands an den Zweibund unmöglich. Das Telegramm brachte zwar nicht den Bruch mit Eng- land — der erfolgte erst 1901 durch das Jangtse-Abkommen (S. 30) —, aber es gab England zuerst Veranlassung, seinem Handelsneid Ausdruck zu geben; denn der eigentliche innere Grund zu dem Benehmen Cng- *) Die Zeitung „Daily Mail".
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