1911 -
Berlin
: Hansa-Bund für Gewerbe, Handel und Industrie
- Autor: Kleefeld, Kurt
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
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4. Anhang: Grundlinien des Völkerrechts.
Begriff. Rechtsnatur. Entstehung. Gebote der Menschlichkeit. Quellen.
Geschichtliche Entwicklung. 5 Perioden. Wiener Kongreß. Interessengemein-
schaft der Kulturvölker. Europäisches Gleichgewicht. Pariser Seerechts-
deklaration. Interventionspolitik. Nationalitätsprinzip. Berliner Vertrag. Ver-
tragsperiode. Dreibund. Zweibund. Haager Schiedsgericht. Deutschland
ehrlicher Makler. Gegenstände des Völkerrechts. Neutralität. Souveränität.
Staatsgebiet. Staatsschutz. Grundrechte der Staaten. Völkerrechtliche Ver-
treter. Internationale Organe des völkerrechtlichen Verkehrs. Völkerrechtliche
Verträge. Völkerrechtliches Delikt. Streitigkeiten. Friedliche, kriegerische
Beilegung. Landkrieg. Seekrieg.
Unter Völkerrecht ist die Gesamtheit derjenigen rechtlichen
Normen zu verstehen, welche die Rechte und Pflichten der Kultur-
staaten zueinander regeln. Die Rechtsnatur des Völkerrechts ist be-
stritten worden, besonders weil es ihm an einer höchsten Exekutiv-
gewalt fehlt. Diese Meinung ist indessen nicht durchgedrungen. Man
braucht nur an die häufig eingesetzten Schiedsgerichte und Kon-
ferenzen der Mächte zu denken, um zu wissen, daß es unter Um-
ständen auch im Völkerrecht eine vollziehende Gewalt gibt.
Die tieferen Ursachen, welche zur Bildung völkerrecht-
licher Regeln geführt haben, liegen in der Gemeinschaft einer
großen Zahl von Interessen, welche die Kulturvölker miteinander
verbinden. Dabei ist zu beachten, daß das V ölkerrecht nur zwi-
schen zivilisierten Staaten Geltung hat, während unzivili-
sierten Ländern gegenüber lediglich die Gebote der Mensch-
lichkeit zu beachten sind. Früher bezog sich das Völkerrecht sogar
nur auf die europäischen Völker.
Die Quellen des Völkerrechts sind Gewohnheit und eine
Art von Gesetzesrecht, wie es besonders auf den internationalen Kon-
gressen, z. B. in Paris 1856, in Berlin 1878 vereinbart wurde.
Man hat auch versucht, das Völkerrecht einheitlich zusammen-
zufassen (Kodifikation). So hat Bluntschli 1868 das moderne Völker-
recht in Form eines Rechtsbuchs herausgegeben.
Die Geschichte des Völkerrechts läßt sich in fünf Pe-
rioden einteilen:
Erstlich in die Zeit bis 1815, d. h. bis zum Wiener Kongreß
(S. 4), in welcher sich die Interessengemeinschaft der
Kulturvölker oder, wie man auch sich ausdrückt, die Idee des
europäischen Gleichgewichts aufkam. In dieser Periode
traten Preußen, Rußland und die nordamerikanischen Kolonien in die
Reihe der völkerrechtlich gleichberechtigten Faktoren ein. Dabei sei
davon ausgegangen, daß das Altertum ein System des Völkerrechts
überhaupt nicht kannte, und erst im Mittelalter besonders durch die
Rechtslehrer Hugo Grotius (in seinem Werk über das Recht des