1906 -
Halle a.S.
: Schroedel
- Autor: Clausnitzer, Eduard
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt
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[§21]
Durch das Vasallentum, besonders das Seniorat war bereits
unter Karl dem Großen eine entschiedenere Einschränkung der Königs-
gewalt eingetreten. Noch weit bemerkbarer wird dies in der Folge-
zeit. Die vom König verteilten Ämter werden erblich, und da die
Lehen gewöhnlich mit einem solchen verbunden waren, so erfolgt die
Neubelehnung gewöhnlich auch an den Sohn. Dazu nahmen die
kleineren Gemeinfreien, d. h. in der Hauptsache die sreien Bauern,
immer mehr ab, es vollzieht sich derselbe Vorgang wie gegenwärtig
beim Großbetrieb im Gewerbe, Handel und Verkehr, daß die Groß-
betriebe die Kleinbetriebe aufsaugen, — der freie Bauer begibt sich
namentlich gern in Lehnsabhängigkeit der geistlichen Großgrund-
besitzer, da Geschenke an die Kirche ein für das Seelenheil besonderes
Verdienst einschließen. Aber auch unter den Großgrundbesitzern, die
vorläufig ihre Freiheit gewahrt hatten, tvird es immer mehr Ehrensache,
ihr bisher freies Besitztum vom Herrscher als Lehen zu empfangen,
zumal nur das Basallitütsverhültnis die Möglichkeit gewährte, sich
an den öffentlichen Geschäften zu beteiligen; daß aber nunmehr die
kleineren Gemeinfreien und die unter Senioren stehenden Vasallen
auf eine immer tiefere gesellschaftliche Stufe sanken, bewirkt das
Heereswesen. Die Römerzüge ließen die Unmöglichkeit zu Fuß
Heeressolge zu leisten hervortreten, von Bedeutung war hier allein
der Reiter. So bildet sich denn infolge des Reiterdienstes, den wegen
seiner Kostspieligkeit nur die Senioren und deren dafür fähige
Vasallen leisten konnten, ein besonderer Stand aus, das Rittertum.
Das- Volk beginnt sich in Waffen tragende und Erwerbende zu scheiden,
nur in Zeiten schwerer Not wird ausnahmsweise der Heerbann
aufgeboten. Dem Adel des Ansehens aus der Urzeit war der Besitz-
adel gefolgt. Neben dem auf Ansehen und Besitz beruhenden hohen
Adel, der im zweiten Drittel des Mittelalters die Stellung der
Landesfürsten annimmt, tritt der niedere Adel als ein Schwertadel,
der aber nicht bloß das Wafsenhandwerk pflegt, sondern auch durch
besondere Standesehre und Standessitte sich weit über die andern
Vasallen und über die sich dem Waffenhandwerk nicht anschließenden
Gemeinfreien erhebt (näheres S 22 c).
Dörfer, sog. Haufendörfer, gab es, wie bereits gezeigt ($20b),
Höfe auch in den ehemals keltischen Gegenden. Mit der Grund-
herrschaft entsteht das Hofsystem der Großgrundbesitzer (vgl. 8 20 b).
An ihrer Spitze findet sich der Herrenhof, der entweder eine könig-
liche Pfalz oder Bischofssitz, Abtei oder Sitz eines Herzogs, Grafen
usw. war; ihm sind die Meier- oder Fronhöfe, und diesen die Bauer-
höfe oder Gehöfderschaften untergeordnet; bei kleinen Besitzungen ist
der Herrenhos zugleich Fronhof. Letzterer bildet den Mittelpunkt
des Wirtschastsbetriebs, die sich ganz in den Formen der Haus- oder
Fronhofswirtschaft bewegt (vergl. $ 13 b). Die Verwaltung besaß
ursprünglich der Meier oder Villicus, dem sie der Herr späterhin,
um sich hinreichende und regelmäßige Einnahmen zu sichern, in