1894 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Mittenzwey, Louis
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule, Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13, Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
34 Die Rechte der Unterthanen (Fortsetzung).
11. Das Recht auf Änsässigmachung. Jeder Reichs-
angehörige hat nicht nur das Recht, innerhalb des Reichsgebietes
sich an jedem Orte aufhalten zu können, sondern er hat auch
das Recht, sich an jedem Orte Grundeigentum zu erwerben.
Früher durften gewisse Stände, insbesondere manche Konfessionen
und Sekten wie Mennoniten, Quäcker, Juden Grundbesitz nicht
erwerben. Die Rittergüter konnten nur von Adeligen in Besitz
genornmen werden (daher der Name Edelmann). Gegenwärtig
bestehen keine derartigen Beschränkungen mehr; wer die Mittel
dazu hat, kann sich ansässig machen.
12. Das Recht auf Unterstützung (U nt er st ü tzu ng s -
w o h n s i tz). Der Geist der Humanität, welcher die ganze
neuere Gesetzgebung durchweht, bekundet sich besonders auch in
dem Reichsgesetze über den Unterstützungswohnsitz vom 5. Juni 1870.
Wer durch Krankheit, Verunglückung oder sonstige Gebrechlichkeit
rc. sich in einer so hilflosen Lage befindet, daß es ihm am
Unentbehrlichsten (Nahrung, Kleidung, Wohnung) mangelt, wird
von derjenigen Gemeinde, welcher er angehört, unterstützt.
Niemand soll verhungern und niemand ohne schützendes Obdach
sein. Wer allerdings arbeiten und sein Brot verdienen kann,
darf ja nicht darauf rechnen, unterstützt zu werden. Wer nicht
arbeitet, soll auch nicht esien. (Viel Mißbrauch in großen Städten.
— Auch das Wohlthun sei mit Weisheit verbunden.)
Unter dem U n t e r st ü tz u n g s w o h n s i tz versteht man
im allgemeinen den Gemeindeverband, welcher im einzelnen Falle
zur öffentlichen Unterstützung einer hilfsbedürftigen Person ver-
pflichtet ist. Wer innerhalb eines Ortsverbandes nach zurück-
gelegtem 24. Lebensjahre zwei Jahre lang ununterbrochen seinen
gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat, erwirbt dadurch den Unter-
stützungswohnsitz, vorausgesetzt, daß er nicht in den letzten zwei
Jahren schon aus öffentlichen Mitteln unterstützt worden ist.
Früher war es anders, da konnte jemand in einem Orte wohnen
so lange er wollte, er gehörte immer der Gemeinde an, in
welcher er geboren ward, anderswo wurde er nur (gegen
Heimatschein) geduldet, außerdem er wanderte förmlich aus von
einer Gemeinde in die andere, das war aber kostspielig (Bürger-
geld); und wenn nicht ein entsprechendes Vermögen nachgewiesen