1894 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Mittenzwey, Louis
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule, Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13, Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Einfluß des Christentums — Begriff und Entstehung des Rechts. 143
Recht im Bewußtsein des Volkes lebendig zu erhalten. Allge-
mein ist auch die Sitte, den Rechtssatz in Sprüchwörtern oder
Reimen zu fasten.*)
Von den: geschriebenen Recht sind besonders die Rechts-
bücher der Römer auch für uns Deutsche maßgebend geworden.
Wie kommt das? (Größe des römischen Staates, infolge der
strengen Zucht und des eisernen Gehorsams, der Aufopferung
für das Vaterland, Tapferkeit, Staatsklugheit rc.), Deutschland
war nie recht einig, das Stammesbewußtsein war zu lebhaft
ausgeprägt.
5. Einfluß des Christentums auf die Rechtsbildung.
Das Christentum ist von denkbar größter Bedeutung für Gesetz
und Recht geworden. Es beseitigte die Sklaverei, es beförderte
die Freiheit sowie die Ehre der Arbeit, es lehrte Achtung vor
fremdem Eigentum (Wie war es bei Lykurg?); es verurteilte
die Übervorteilung des Nächsten durch Betrug, Wucher rc, es
lehrte Mäßigkeit und Selbstüberwindung, die ja für ein geord-
netes Zusannnenleben unentbehrlich sind; es richtete die Armen-
pflege ein (Stephanus), kurzum, es übte nach allen Seilen einen
veredelnden Einfluß aus.
ß. Begriff und Entstehung des Rechts. Das Recht ist
im allgemeinen Sinne der Inbegriff von Regeln, welche, auf
äußeren Satzungen der Völker beruhend, die menschlichen Lebens-
verhältniste in erzwingbarer Weise normieren und festsetzen.
Kürzer: Das Recht ist Ordnung dessen, was jeder thun und
verlangen darf. Wo kein Recht ist, da herrscht Gewalt. Das
Recht ist nicht eine zufällige und willkürliche Einrichtung der
Menschen, sondern es hat im Wesen des Menschen selbst seinen
eigentümlichen inneren Grund und ist ein Bestandteil seiner
sittlichen Natur. Das Recht steht daher im Leben der Menschen
in enger Verbindung mit der ganzen heutigen Ausbildung ihres
geistigen Wesens. — Daher werdendes und vergehendes Recht
mit dem Wechsel der Kultur; deshalb steht Solon weit über
Lykurg; wieso? — Das Recht entsteht zunächst durch Gewohn-
*) So heißt es z. B. heute noch bei den Strandbewohnern: „Wer
nicht will deichen (d. h. Schutzdämme bauen), muß weichen" oder: „Fund
verhohlen, so gut wie gestohlen."