1910 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Bodesohn, August
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13, Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen, ISCED 5 – Tertiärbereich
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Fürsorge auch du nun zu stehen kommst." „Die Handwerks-
kammer?" fragte der Sohn, „was ist das?" „Das ist nicht
so leicht zu erklären," meinte der Vater, „aber wenn du auf-
merken willst, will ich versuchen, dir ein Bild von ihrem Wesen
und ihren Aufgaben zu geben. Von der Schule her weiht du,
daß die Handwerker des gleichen Gewerbes in den größeren
Gemeinden zu Innungen zusammengeschlossen sind, die die Auf-
gabe haben, die Gesamtinteressen ihres Gewerbes und ihres
Standes wahrzunehmen." „Das habe ich nicht recht verstanden,"
meinte der Junge, „was ist das Gesamtinteressen?" „Sieh, der
einzelne Handwerker ist nicht in der Lage, alle diejenigen Ein-
richtungen zu treffen, die er für wünschenswert oder notwendig
hält, damit sein Handwerk die Achtung bei den Mitbürgern ge-
nießt, auf die es Anspruch hat. Für durchreisende Gesellen soll
gesorgt werden, die Einigkeit zwischen den Meistern und den
Gesellen soll gewahrt bleiben. Die Meister selber sollen sich bei
der Ausübung ihres Gewerbes stets bewußt bleiben, daß jede
Pflichtverletzung, jede schlechte und unsaubere Arbeit nicht nur
ihnen selbst schadet, sondern ihren ganzen Stand in der Achtung
ihrer Mitmenschen herabsetzt. Außerdem wünschen einsichtige
Meister, daß die Lehrlinge neben der praktischen Lehre auch noch
eine schulmäßige Weiterbildung erfahren, damit dem Handwerk
ein tüchtiger Nachwuchs gesichert bleibe, der die angesehene Stel-
lung des Handwerkers in der bürgerlichen Gesellschaft aufrecht zu
erhalten vermag, klm solche und ähnliche Zwecke erfüllen zu
können, die das darstellen, was ich vorhin Gesamtinteressen
nannte, sind die Innungen wieder ins Leben gerufen und unter
die Aufsicht und Obhut des Staates gebracht worden. Die Auf-
gaben, die die einzelnen Innungen im Lande zu erfüllen
versuchen, sind ihrem Wesen nach die gleichen. Sie unterscheiden
sich bloß nach ihrem Gewerbe. So sorgen z. B. die Fleischer-
innungen für die Fleischerlehrlinge, die Schlosserinnungen für
die Schlosserlehrlinge. Um die Aufgaben zu erfüllen, die den
Innungen gemeinsam sind, sind im ganzen Deutschen Reich
Handwerkskammern ins Leben gerufen worden und so auch eine
für das Herzogtum Braunschweig. Als Vertreter der Innungen
unseres Landes und von ihnen gewählt kommen vierzig erfahrene
Meister zusammen, die über alle die Fragen, die den Hand-
werkern unseres Landes am Herzen liegen, zu beraten haben.
Sie tragen die Wünsche des Handwerks der Staatsregierung vor
und geben zu Gesetzentwürfen, die für die Handwerker von Wichtig-
keit sind, ihr Gutachten ab. Sie treffen Bestimmungen über die
Meister- und Gesellenprüfungen und richten Schulen für die
Handwerkslehrlinge ein. Auch bemühen sie sich, zusammen mit
einem von den Gesellen des Landes gewählten Gesellenausschuß
ein gutes Verhältnis unter allen Gliedern des Handwerksstandes,
Meister, Gesellen und Lehrlingen aufrecht zu erhalten. In diesem
schönen Gildehause, das wir eben gesehen haben, hat die Hand-