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1. Staats- und Bürgerkunde - S. 298

1910 - Wittenberg : Herrosé
Schon am Tage vorher wurde die Lokomotive, welche den Namen „Borsig" trug, nach dem Anhalter Bahnhof gebracht, dort noch einmal montiert und dann früh am Morgen des bestimmten Tages geheizt. Die ganze Nacht harrte Borfig bei seinen Ar- beitern treulich aus, anordnend und arbeitend, tüchtig mit ein- greifend. Mit banger Erwartung sah er der Stunde der Entschei- dung entgegen. Dieselbe kam. Eine stattliche Anzahl sich für die Sache interessierender Per- sonen hatte sich auster dem Sachverständigenkollegium eingefunden, auch englische Ingenieure. Im gegebenen Augenblicke schritt Borsig dem Maschinenschuppen zu und bestieg dort den seiner schon mit feurigem Schnauben harrenden Eisenrenner. Mutig und mit stolzer Sicherheit bewegte sich das erste deutsche Dampfrost vor- wärts. Von seinem Erbauer selbst gelenkt, brauste es an denr Bahnsteig vorüber, eine Strecke die Bahn entlang, dann im schnellsten Laufe zurück, und auf einen Wink stand es unter der Halle still. Stürmischer Beifall empfing Borsig und seinen „Borsig". Die Engländer machten lange Gesichter, als der Führer ihnen zurief: „Sehen Sie, meine Herren, sie geht! Sie ist also in Wahrheit eine Lokomotive!" Nun wurde ein offener Wagen angehängt, die Herren stiegen ein. und auf einer Fahrt bis Grostbeeren führte Borsig seinen Eisenhengst in allen Gangarten noch einmal vor, wobei sich der- selbe vollkommen bewährte. In Grostbeeren, wo schon einmal deutsche Kraft über die Fremdherrschaft gesiegt hatte, wurde deutschem Streben, deutschem Fleiste und deutscher Arbeit wieder- um der Siegespreis zuerkannt. Das Richterkollegium sprach sich einstimmig dahin aus, dast die Borsigsche Lokomotive als durchaus gelungen anzuerkennen sei. — Borsig. der diesen Tag zu den schönsten seines Lebens zählte, schlost darauf mit der Direktion einen Vertrag ab, wonach sich dieselbe verpflichtete, ferner alle aus seiner Maschinenbauanstalt hervorgehenden Lokomotiven auf der Anhalter Bahn zu verwenden. So wurde Borsig durch diese Tat. welche unsere heimische Eisenindustrie von der Herrschaft Englands befreite, der deutsche Stephenson, der nun unter entsprechender Er- weiterung seiner Fabrik seine Haupttätigkeit fortan auf den Bau von Lokomotiven verlegte. Schon im Jahre 1846 verliest das hundertste und zwei Jahre später das zweihundertste Dampfrost das Borsigsche Gestüt. Immer gröster wurde die Zahl derselben, und immer weiter dehnten sich die Räume der Anstalt. Borsig blieb nicht dabei stehen, den deutschen Eisenbahnen zuerst deutsche Lokomotiven zu liefern. Hatte er bisher Kohlen und Schmiedeeisen aus England beziehen müssen, so suchte er sich jetzt auch davon frei zu machen, indem er in Moabit ein grostartiges Eisenwerk anlegte, wo deut- sches Roheisen zu künstlichen Fabrikaten, wie er sie für seine An- stalt gebrauchte, bereitet werden sollte. In Königshütte und Ruda in Schlesien erwarb er Steinkohlenbergwerke, die ihm inländisches
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