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1. Staats- und Bürgerkunde - S. 387

1910 - Wittenberg : Herrosé
wieder einschlummerte, weil es au dem Gelde fehlte, die iuu ge- ringen Kosten zu tragen. Der Krämersinn der Städte war nicht zu bewegen, irgendwelche Opfer zu bringen. Die raublustigen und rohen Ritter jener Zeit liebten aber das Raufen in so hohem Grade, daß ihnen ein machtvolles deutsches Gericht sehr unbequem war. Es war ihnen angenehmer, von der Plünderung der Han- delsleute und von der Unterdrückung des Landvolkes zu leben, als die Hände in ehrlicher Arbeit zu rühren. Trotzdem wurde, sobald nur einiges Geld vorhanden war, das Reichsgericht wieder er- öffnet. Zu einer wirkungsvollen Tätigkeit kam es freilich nicht, da keine Stelle vorhanden war, die den Urteilen desselben den Rittern, Fürsten und den Städten gegenüber Nachdruck verliehen hätte. Daß die Einrichtung sehr mangelhaft blieb, folgt auch aus der Tatsache, daß es wiederholt feinen Sitz wechselte, nach Worms, Speier, Wetzlar verlegt wurde. Allgemein war auch die Klage, daß die Geschäfte an dieser Gerichtsstelle so langsam abgewickelt wurden, daß oft Jahrzehnte vergingen. ehe ein Rechtsspruch er- folgte. Es blieben infolgedessen immer viele Taufende von Rechts- sachen lange Jahre unentschieden, so daß die Bewohner des Reiches nur in den äußersten Notfällen die Hilfe dieses schwerfälligen Ge- richtshofes in Anspruch nahmen. Im übrigen war auch das Ver- trauen zu den Richtern ein sehr geringes, da man allgemein glaubte, daß diese Leute bestechlich seien und ihre Entscheidungen nach Gunst oder anderen Rücksichten träfen. Es war darum kein Verlust für unser deutsches Volk, als mit der Auflösung des zu einem Zerrbilde herabgesunkenen Deutsches Reiches im Jahre 180i) auch das Reichskammergericht einging. Freilich wurde dadurch die Verwirrung, welche auf dem Ge- biete des Rechts in Deutschland bestand, nicht geringer. Sie hatte ihren Grund in der Tatsache, daß jeder deutsche Staat sein eigenes Recht hatte, so daß oft im Umkreise weniger Stunden drei oder vier voneinander abweichende Gesetze zur Anwendung kamen. Das war schlimm; denn das Recht ist die Grundlage des ganzen Staates und des gesamten Volkslebens. Wo ein einheitliches Recht fehlt, wird der Staat nie zu seiner höchsten Blüte gelangen, und das Volk wird sich niemals einig fühlen. Es liegt ja auch in der Natur der Dinge, daß kein Deutscher die Gesetze aller Staaten des Reiches kannte. Dies brachte vielen recht schweren Schaden. War z. B. eine Ware von Hamburg nach Frankfurt a. M. zu schaffen, so wurden mindestens zehn Staaten durchfahren. Gerade im Handel entstehen leicht Streitigkeiten, die nur im Wege des Prozesses ent- schieden werden können. Entstanden nun bei solcher Gelegenheit derartige Meinungsverschiedenheiten, so war der Verlauf des Streites niemals abzusehen, da eben in jedem Lande verschieden- artige Gesetze vorhanden waren. Der Kaufmann ließ sich deshalb nur im äußersten Notfälle auf die Verfolgung seiner Rechts- ansprüche ein, wenn dies „im Auslande" geschehen mußte. „Aus- land" war aber schon das nur wenige Stunden entfernt gelegene
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