1883 -
Langensalza
: Schulbuchh. Greßler
- Autor: Renner, Hermann
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
46
so können sie alle früh aufstehen. Nun ich halte Wort." Hannchen
fragte ungeduldig: „Was für ein Fest machst du uns nun, lieber
Vater?"
„Das ist's," antwortete der Vater und warf jedem Kinde eine
Kappe über den Kopf. Vor den Augen, der Nase, dem Munde war
ein Gitter von Draht, und der ganze übrige Teil des Kopfes war
mit einem Tuche bedeckt.
„Merkt ihr was?" sprach Bernhard zu den anderen; „der Vater
schneidet gewiß Honig". „Richtig," sagte der Vater; „gefällt euch
das?" „O ja," riefen alle und folgten dem Vater, der nun auch eine
Kappe über den Kopf nahm und jedem Kinde etwas zu tragen gab.
Bernhard trug eine Pfanne voll glühender Kohlen, Karl einen Büschel
Wermut, jedes Mädchen ein langes Messer; Vater und Mutter folgten
mit Schüsseln und einem Siebe nach.
Als der Zug in dem Garten angekommen war, ging das Fest
an. Der Vater öffnete das Bienenhaus und trug jeden Korb von
feinem Platze weg. Dann ließ er den Rauch von seinem Büschel
Wermut, welchen er auf die Kohlen gelegt hatte, in den Korb ziehen.
Da zogen sich die Bienen zurück, und der Vater schnitt nun erst das
Wachs heraus, welches in das Sieb gelegt wurde, darauf auch große
Stücke Honig. Als der Vater damit fertig war, trug mau den Honig
in die Stube, und die Mutter ging, um Semmel zu holen, worauf
sie den Honig für die Kinder streichen wollte. Auch der Vater ging
weg, um das Geräte wieder an semen Platz zu bringen. Ehe er aber
wegging, sagte er: „Nun, Kinder, will euch die Mutter noch ein Fest
machen und Honig auf Semmel streichen, aber nasche mir niemand davon!"
Alle Kinder versprachen, dem lieben Vater gehorsam zu sein.
Kaum hatte sich derselbe aber entfernt, so schlich das lüsterne Hannchen
nach dem Tische, nahm ein Stück Honig aus der Schüssel und steckte
es in den Mund. Auf einmal schrie sie so laut und so jämmerlich
auf, daß es durch das ganze Haus schallte. Die andern traten ängstlich
um sie herum und fragten: „Was fehlt dir, Hannchen?" Vater und
Mutter liefen herbei und fragten sie. Aber sie hielt immer den Mund
offen und schrie, als ob sie am Spieße stäke. Da sah ihr die Mutter
zuletzt in den Mund, und siehe da: ein Bienchen, welches in dem
Honig gewesen war, hielt sich mit seinem Stachel an Hannchens Zunge
fest. Die Mutter nahm die Biene zwar weg, aber die Zunge schwoll
so stark auf, daß Hannchen den ganzen Tag nichts essen konnte.
Die übrigen Kinder aßen ihre Semmel mit Honig und Karl
sagte: „das Fest, welches uns der Vater gemacht hat, gefällt mir."
Sastmann.