1916 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Kania, Hans
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Vii. Wirtschaftsleben und Finanzen
Die Landwirtschaft entwickelte sich günstig durch den Einfluß Thaers,
der Musteranstalten errichtete und eine wissenschaftliche Behandlung des
Landbaues anbahnte.
Er berücksichtigte richtigen Fruchtwechsel, Anbau geeigneter Futterkräuter, sorg-
Qu. i, 14 faltige Düngerbereitung, Auswahl des leistungsfähigsten Viehes. Eine Akademie (1807)
und ein Landesökonomiekollegium (1842) gingen auf seine Anregungen zurück. Die
Schafzucht wurde so verbessert, daß die deutsche Wolle sogar den englischen Markt
gewann (1830). Das große Landesgestüt Graditz (1845) war der Mittelpunkt der
Pferdezucht. Rübenzuckerfabrikation (1801 Achard) und Spiritusbrennerei boten neue
Erwerbsmöglichkeiten für den Landwirt.
Das Verkehrswesen erlebte einen großen Aufschwung durch die
Kunststraßen, die Vervollkommnung des Postwesens, die Einführung der
Eisenbahn und der Dampfschiffahrt. Friedrich List trat zuerst für ein all-
gemeines deutsches Eisenbahnnetz ein. Während das Smithsche System
damals allgemein galt, betonte er bereits die Notwendigkeit allerdings
mäßiger Schutzzölle. Mäßiger Schutzzoll für die Industrie, Freiheit
des Verkehrs, Gewerbes, Handels war die Forderung der Zeit. Auf den
Merkantilismus war die Zeit des freien Spiels der Kräfte im Sinne von
Adam Smith gefolgt, an Stelle des Glaubens an das Geld als Quelle
des Reichtums der Glaube an den Wert der Arbeit getreten. Die Maschine
begann die Handarbeit zu ersetzen; die Gewerbefreiheit nutzte der Industrie,
ix, Los bedrohte aber gleichzeitig das Handwerk. Durch das Zollgesetz von 1818
fielen die Zollschranken in Preußen. 1834 war im wesentlichen Deutsch-
land zu einem einheitlichen Zollgebiet zusammengefaßt. 1851 trat auch
Hannover mit Braunschweig und Oldenburg bei.
y) Freihandel und Schutzzoll im neuen Reich.
Ein maßvoller Freihandel herrschte in Preußen und zuerst auch
im neuen Reiche. Ursprünglich war die Industrie schutzzöllnerisch, die
Landwirtschaft wegen ihrer Mehrerzeugung freihändlerisch gesonnen. Dann
Qu. ii. 79 aber beim Erstarken der Industrie seit 1860 konnte diese ohne Schutzzoll
den Kampf mit dem Auslande aufnehmen. Seit 1870 ging die Landwirt-
ix, 28i schuft zurück, da die Getreideeinfuhr infolge der Entwickelung des Welt-
verkehrs stieg, der Ruf nach Zollschutz wurde laut. Da verband Bismarck
Qu. 1,16 seit 1879 in genialer Weise die Interessen beider Zweige, indem er die
Ix, 287 Schutzzölle für Industrie und Landwirtschaft einführte.
Durch diese wurde die Leistungsfähigkeit der Industrie ins Riesige gesteigert, die
Landwirtschaft aber erhalten und dein nationalen Zwecke, der Versorgung des In-
landes, dienstbar gemacht. 1840—50 war die Landwirtschaft noch bei drei Vierteln
der Bevölkerung der Beruf. Seit 1850 eroberte die Jndustrietätigkeit so viel Boden,
daß heute zwei Drittel der Bevölkerung sie ausüben. Deutschland lieferte an Kohle
wie an Eisenerzen mehr als ein Fünftel der gesamten Welterzeugung. Große Jn-
dustriewerke, Krupp, Borsig, Dreyse, Mauser, wurden geschaffen. Dazu kamen die
ix, 279 Erfolge der Elektroindustrie; hier treten die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft,
Berlin, sowie die Firma Siemens-Schuckert hervor. Die Höchster und Elberfelder
chemischen Fabriken erlangten Weltruf, die Daimlerwerke nahmen den Wettbewerb