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1. Lesebuch für staatsbürgerliche Bildung - S. 2

1913 - München : Lindauer
2 Staat und Staatsformen. lehrte) auf Vertrag beruht. Das Leben und die Entwicklung der Völker wird vielmehr, wie das Weltall überhaupt, von den Naturgesetzen beherrscht und diese sind es, die mit der ihnen innewohnenden Notwendigkeit die Völkergemeinschaften im Verlaufe ihrer Entwicklung zu Staaten formen und zwar zumeist, ohne daß die einzelnen Menschen hierbei bewußt handeln. Die Aufgaben des Staates wachsen mit seiner Entwicklung. Da ein Volk nur dann einen selbständigen Staat bildet, wenn es sein Land frei und unab- hängig von anderen Völkern besitzt, so ist zunächst schon im Beginn seiner Ent- wicklung seine Hauptaufgabe die Abwehr äußerer Feinde. Aber auch auf Wah- rung des inneren Friedens muß der Staat alsbald bedacht sein gegenüber solchen Volksgenossen, welche, die für das Zusammenleben gegebenen notwendigen Vor- schriften nicht achtend, dem Besitze, der Ehre oder dem Leben anderer zu nahe treten. Der Staat muß daher richtend und strafend die von ihm gegebene Rechtsordnung aufrechterhalten. In früherer Zeit (vgl. die Lehre des Philo- sophen Kant vom sog. Rechtsstaate) hielt man damit die Aufgaben des Staates im wesentlichen für erschöpft. Mit Unrecht. Für sein geistiges, sittliches, körper- liches und wirtschaftliches Wohl kann der einzelne allein vielfach nicht genügend sorgen. In allen diesen Beziehungen muß daher, unbeschadet der Freiheit der Staatsbürger, der Staat mit seiner stärkeren Hand helfend und fördernd eingreifen. So sorgt er für den Unterricht durch Einrichtung von Schulen verschiedenster Gattung; er wendet große Mittel auf zur Pflege der das Leben verschönernden und verklärenden Künste und der Wissenschaften, deren Entwicklung nicht nur dem wirtschaftlichen und gesundheitlichen Fortschritt dient sondern auch immer tiefer in die Wunder der Schöpfung blicken läßt. Den religiösen Bedürfnissen der Menschen wird der Staat durch Unterstützung und Förderung der kirchlichen Gemeinschaften gerecht. Für die Gesundheit sorgt er durch Ausbildung des Heilpersonals, durch Einrichtung von Kliniken und Krankenhäusern, Irrenan- stalten, Bädern, Wasserleitungen und dergl., durch Beaufsichtigung des Verkehrs mit Nahrungsmitteln und durch mannigfache sonstige Vorkehrungen. Die Bau- polizei, Feuerpolizei und Gewerbepolizei bezweckt die Sicherheit der einzelnen und die Abwendung der Gefahren, welche mit den verschiedenen Gewerbebetrieben verknüpft sind. Armen und Kranken leistet der Staat seine Hilfe und Unter- stützung und durch Kranken-, Unfall-, Invaliden- und Altersversicherung wendet er den weniger bemittelten Klassen seine besondere Fürsorge zu. Die Landwirt- schaft und die Viehzucht, die Forstwirtschaft und der Bergbau finden gleicher- maßen Schutz und Unterstützung durch den Staat. Er sorgt ferner für Prägung von Geldmünzen, für Errichtung von Sparkassen und Banken, für genaue Regelung des Maß- und Gewichtswesens und ermöglicht und fördert so einen lebhaften und ungestörten Austausch der Güter. Ein über das ganze Land ver- breitetes, sorgfältig ausgebautes Netz von wohlunterhaltenen. Straßen, von Eisen- bahnen, Posten und Telegraphen dient dem örtlichen Verkehr der Menschen und Waren sowie dem Austausch von Mitteilungen. Er überbrückt die Flüsse, sorgt
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