1913 -
München
: Lindauer
- Autor: Bauerschmidt, Hans
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
Vom Staat überhaupt.
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für ihre Schiffbarmachung und Eindämmung gegen Überschwemmungsgefahr und
schafft künstliche Wasserstraßen, die Kanäle. Die Kolonien, die der Staat gründet,
bieten Absatzfelder für einheimische Erzeugnisse und neue, unter dem Schutze des
Mutterlandes stehende Wohnsitze für Auswanderer. In fremden Ländern schützt
der Staat seine Angehörigen und deren Interessen durch seine Vertreter sowie
durch Verträge, welche er mit auswärtigen Regierungen abschließt. Wie endlich
das Landheer die Grenzen verteidigt, so schirmt eine starke Flotte den Handel
der Bürger auf dem Weltmeere und leiht ihnen auch in fernen Erdteilen den
Schutz des Vaterlandes.
Doch genug der Beschreibung der einzelnen Vorteile und Wohltaten, welche
wir dem Staate verdanken! Sie würde doch nie uns sagen können, was unser
Vaterland uns bedeutet, dieser teure Boden, der uns zuerst bei unserer Geburt
begrüßte, auf dem wir unsere Jugendtage verlebten und aus dem wir alle unsere
Kraft geschöpft haben. Weit mehr noch, als wir ahnen, verdanken wir, was
wir sind und haben, ja unser ganzes Denken und Fühlen, unserem Vaterlande
und jeder einzelne von uns und sein Wohl und Wehe erscheint unbedeutend und
geringfügig gegenüber dem Wohl und Wehe des Ganzen.
Wenn man von den Vorteilen und Rechten spricht, welche der Staat seinen
Bürgern gewährt, darf man auch der Pflichten nicht vergessen, die er ihnen auf-
erlegt und auferlegen muß; denn ohne Pflichten sind auch keine Rechte denkbar;
sie sind beide untrennbar verbunden wie die Vorder- und die Rückseite einer und
derselben Münze. In erster Reihe obliegt uns die Achtung vor den Gesetzen;
sie stellen den Willen des Volkes dar und erfordern deshalb Befolgung und Ach-
tung auch dann, wenn wir sie im einzelnen Falle nicht für richtig halten oder
nicht verstehen. Sodann verlangt der Staat unsere freudige und unbeschränkte
Hingabe an das öffentliche Wohl und zwar nicht nur tut Kriege, in dem wir
gerne unser Leben für das Vaterland einsetzen. Auch im Frieden sollen wir stets
des Grundsatzes eingedenk sein, daß das Wohl des Ganzen immer über unserem
eigenen Wohl stehen muß. Endlich aber sind die Pflichten, die uns gegen uns
selbst zukommen, besonders die Pflicht strenger Rechtschaffenheit, der Mäßigkeit,
des Fleißes und der Ausbildung und Stählung unseres Körpers und unserer
Gesundheit zugleich ernste Pflichten gegenüber dem Staat; denn nur solange diese
Tugenden in dem Volke leben, kaun es gedeihen und blühen; sind sie verloren,
so versinkt es und andere, noch unverdorbene Völker treten an seine Stelle.
Wie wir leicht das Glück einer ungestörten Gesundheit gering achten, so-
lange nicht Krankheit sich fühlbar macht, so wird die Bedeutung des Staates
häufig deshalb nicht richtig gewürdigt, weil wir an seine Wohltaten von Jugend
aus gewöhnt sind und sie daher als etwas Selbstverständliches hinnehmen. Vielen
kommt so das Dasein des Staates nur dann zum Bewußtsein, wenn er verbietend
oder strafend oder Geldopfer heischend auftreten muß; er erscheint ihnen deshalb
vorwiegend als etwas Lästiges, Unbequemes. Nur so ist die seltsame Tatsache
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