1913 -
München
: Lindauer
- Autor: Bauerschmidt, Hans
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Staatsformen.
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in der Hand einer bevorzugten Minderheit oder in der des ganzen Volkes liegt.
Mit diesem der Quantität entnommenen Merkmale ist indessen nur angegeben,
was sich an die Oberfläche drängt, in der Tat handelt es sich um tiefer liegende
Unterschiede.
Die Monarchie darf als die älteste unter den dreien angesehen werden. In den
Staaten des griechischen Altertums verschwand das Königtum frühzeitig und machte
einem republikanischen Gemeinwesen Platz, in welchem die vornehmen Geschlechter
die Herrschaft führten. Die weitere Entwicklung, welche durch mannigfache Partei-
kämpfe, wohl auch durch eine vorübergehende Wiederkehr der Einherrschaft in
Gestalt der Tyrannis bezeichnet war, führte sodann zur Demokratie. Hier in-
teressiert indessen nicht so sehr die geschichtliche Aufeinanderfolge der drei Staats-
formen als der Umstand, daß von ihnen die Aristokratie weit mehr als die beiden
anderen an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist, welche sich nicht willkürlich
herbeiführen lassen, sondern selbst das Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung
sind. Eine Minderheit regiert hier, nicht weil ihr von der Gesamtheit die Herr-
schaft übertragen worden wäre, sondern auf Grund eigenen Rechts. Die einzelnen
Mitglieder sind zu derselben berufen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem über
die Masse des Volks hinausgehobenen Stand. Möglich ist eine aristokratische
Staatsform somit nur da, wo ein solcher Stand gegeben ist, wo eine unter sich
enge verbundene Minderheit die übrigen durch Reichtum, Macht und Einfluß
überragt. Daß den solchergestalt höher Stehenden auch die Fürsorge für das
Gemeinwesen zusteht, erscheint dann als naturgemäß. Das tatsächlich Bestehende
wird durch Gewöhnung und lange Dauer geheiligt und durch den innerhalb der
herrschenden Minderheit gepflegten, von Generation auf Generation vererbten
staatsmännischen Sinn gerechtfertigt. Das glänzende Beispiel eines aristokratischen
Staatswesens bietet die Republik Venedig. Über die Berechtigung der aristokra-
tischen Staatsform mit Vernunftgründen zu streiten hat keinen Sinn. In die
Theorie vom Ursprünge des Staates aus Vertrag läßt sie sich nicht einordnen.
Sie kann nur geschichtlich gewürdigt werden. Daß in den Kulturländern der
Neuzeit Verhältnisse wiederkehren werden, welche ihr Aufkommen befördern, ist
wenig wahrscheinlich. Weder die Unruhe und Vielgestaltigkeit des modernen Wirt-
schaftslebens noch die moderne Tendenz zur Großstaatbildung sind ihm günstig,
ganz abgesehen von der weitverbreiteten und tief eingewurzelten Abneigung gegen
alles, was der staatsbürgerlichen Gleichheit Abbruch tut und an die gesellschaft-
liche Gliederung älterer Zeiten erinnert.
Anders steht es mit der Monarchie und Demokratie. Sie sind in den ver-
schiedenen Perioden der Geschichte und bei den verschiedenen Völkern in ver-
schiedener Weise aufgetreten und sie können, weil viel weniger von besonderen
Verhältnissen abhängig, die Veränderungen der sozialen Struktur wie den Wechsel
der staatsrechtlichen Theorien überdauern. Untereinander stehen die beiden in
einem prinzipiellen Gegensatz. Zwar ist ganz falsch, was behauptet wurde, das
auszeichnende Merkmal der Demokratie sei die Loslösung von jeder religiösen Welt-