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1. Lesebuch für staatsbürgerliche Bildung - S. 6

1913 - München : Lindauer
(3 Staat und Staatsformen. anficht und die Leugnung jeder höheren, den Willen der einzelnen bindenden Macht. Würde irgendwo mit dieser Leugnung voller Ernst gemacht, so wäre die Folge nicht ein demokratischer Staat, sondern die Anarchie. Kein Staat ist mög- lich ohne die Unterscheidung von Befehlenden und Gehorchenden und ohne die pflichtmäßige Unterwerfung der Bürger unter die Anordnungen der Obrigkeit. Die höhere Macht ist die über den einzelnen stehende sittliche Ordnung. Von da stammt das Gebot der Unterordnung und Selbstbeschränkung, ohne welche kein Gemeinschaftsleben möglich ist. Die Bürger sollen den Staatszweck verwirklichen. Im übrigen aber gilt in der Demokratie das Volk als oberster Träger der Ge- walt, alle Beamten bis hinauf zum Präsidenten, wo ein solcher besteht, sind,seine Beamten, von ihm mit bestimmten Funktionen des staatlichen Lebens betraut. Daß es diese Gewalt selbst und unmittelbar durch Regierungshandlungen betätige, ist nur in kleinen Gemeinwesen möglich, wie in den Stadtstaaten des griechischen Altertums und noch heute in einigen kleinen Kantonen der Schweiz, wo die ver- sammelte Landesgemeinde durch Handaufhebung entscheidende Beschlüsse faßt. Wie zur Bestätigung des zuvor Eingeschärften enthält dabei die Verfassung von Glarus die Bestimmung, daß die Landesgemeinde ihre Macht nicht als Willkürgewalt auf- fassen, sondern sich von den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der gemeinen Wohl- fahrt leiten lassen solle. Die für die Neuzeit charakteristische und für große Staatengebilde allein mögliche Form ist aber die repräsentative Demokratie, wo das Volk die Gewalt durch von ihm gewühlte Vertreter ausübt, in Nordamerika, wo die moderne Demokratie zuerst ihre Ausbildung fand, durch den Kongreß, in der Schweiz durch die Bundesversammlung, in dem republikanischen Frankreich durch die Nationalversammlung. Umgekehrt ist in der Monarchie ein einzelner aus eigenem Recht oberster Träger der Staatsgewalt. Der widerspruchsvolle Versuch, die Monarchie mit dem Prinzip der Volkssouveränität zu versöhnen, führt nicht über eine leere Fiktion, eine äußerliche Verbrämung hinaus. Die Unverantwortlichkeit, welche dem Monarchen zukommt und zukonimen muß, zeigt deutlich, daß er seine Gewalt nicht als eine ihm von anderen übertragene besitzt. Die konsequenteste Aus- gestaltung ist in der erblichen Monarchie gegeben, wo „der König nicht stirbt". Ältere Zeiten umgaben diese Staatsform mit einer besonderen religiösen Weihe und brachten sie mit höheren, überirdischen Mächten in Verbindung. Die Ver- treter des absoluten Königtums im 16. und 17. Jahrhundert sahen in ihm das zeitlich-menschliche Abbild des göttlichen Regiments, von Gott selbst den Menschen eingepflanzt, damit sie sich der königlichen Majestät gleich einer irdischen Gottheit oder zum mindesten als dem Abglanze der göttlichen Allmacht in neidlosem Ge- horsam unterwerfen. Die Gegenwart denkt nüchterner. Das Königtum ist uns eine im öffentlichen Interesse ausgeübte Funktion, der König das Haupt des staatlichen Organismus und darum nicht über, sondern in demselben stehend, wenn auch als das oberste Organ, von welchem das Leben des Ganzen ausgeht. Mit der Überspannung der königlichen Würde ist auch die leidenschaftliche Bekämpfung
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