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1. Lesebuch für staatsbürgerliche Bildung - S. 22

1913 - München : Lindauer
22 Unser deutsches Vaterland. ob er Grundregeln aufgestellt hätte, die nun unter allen Umständen, in jedem Falle und in jeder Lage blindlings anzuwenden wären. Starre Dogmen gibt es weder im politischen noch im wirtschaftlichen Leben und gerade Fürst Bismarck hat von der Doktrin nicht viel gehalten. Aber was uns Fürst Bismarck gelehrt hat, ist, daß nicht persönliche Liebhabereien, nicht populäre Augenblicksströmungen, noch graue Theorie, sondern immer nur das wirkliche und dauernde In- teresse der Volksgemeinschaft die Richtschnur einer vernünftigen und sittlich berechtigten Politik sein darf. Was uns sein ganzes Wirken zeigt, ist, daß der Mensch das Schiff lenken kann, das auf dem Strome fährt, nicht aber den Strom selbst, daß wir, wie Fürst Bismarck sich ausgedrückt hat, die großen Dinge nicht machen, aber den natürlichen Lauf der Dinge beobachten und das, was dieser Lauf zur Reife gebracht hat, sichern können. Mit anderen Worten, daß es in der Politik darauf ankommt, in jedem Augenblick die Grenze des Erreichbaren deutlich zu erkennen, an die Erreichung des zu Nutz und Frommen des Landes Erreichbaren aber alles zu setzen. Keine Partei kann den Fürsten Bismarck für sich allein mit Beschlag be- legen, aber jede kann und soll trotz der Gegensätze in dieser oder jener Frage vor diesem Toten den Degen senken. Er gehört keiner Koterie, er gehört der ganzen Nation, er ist ein nationales Eigentum. Er ist auf politischem Gebiet und im Reiche der Tat für uns geworden, was Goethe im Reiche der Geister, auf dem Gebiete der Kunst und Kultur für uns gewesen war. Auch er hat, wie Schiller und Goethe sagte, die Schlange erdrückt, die unsern Genius um- schnürte. Goethe hat uns auf dem Gebiet der Bildung geeinigt, Bismarck uns politisch denken und handeln gelehrt. Und wie Goethe für immer als Stern an unserm geistigen Himmel steht, so ist Bismarck uns Gewähr dafür, daß die Nation ihre Gleichberechtigung mit anderen Völkern, ihr Recht auf Ein- heit, Selbständigkeit und Macht niemals aufgeben kann. Er hat uns das Bei- spiel gegeben, nie zu verzagen, auch in schwierigen und verworrenen Zeiten nicht. Er lehrte uns, uns selbst treu zu bleiben. Er gab uns Selbstbewußtsein, Unternehmungsgeist und Leben. In ihm kann sich wie in einem Spiegel die Nation selbst beschauen, denn er war vor allem ein Deutscher im vollsten Sinn des Wortes. Er ist nur auf deutschem Boden denkbar, nur für den Deutschen ganz verständlich. Dort vor uns liegt die Siegesallee. Wenn diese stolze Straße von den Askaniern und von den Nürnberger Burggrafen bis zum großen deutschen Kaiser führt, so verdanken wir es in erster Linie dem Genie des Mannes, dessen Bild in Erz sich jetzt vor unsern Blicken enthüllen soll, seiner Ausdauer, seinem helden- haften Mut, seiner Klugheit, seiner Arbeit für das Hohenzollernhaus, das aus dem Süden Deutschlands zu uns kam, um von hier aus Nord und Süd für immer zu verbinden. Sein Werk ist so beschaffen, daß es ihn überleben kann. In der Mitte von Europa gelegen, sind wir darauf hingewiesen, immer auf der Wacht zu sein, aber stark genug, unsere Unabhängigkeit nach jeder Seite hin zu
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