1913 -
München
: Lindauer
- Autor: Bauerschmidt, Hans
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Unser deutsches Vaterland.
Stärke ist vielmehr, daß er die Leistungsfähigkeit der einzelnen Führer und
Truppen im Marsch und Gefecht, die Straßen, die Verpflegung, die möglichen
Hemmnisse durch Terrain, Wetter re., dazu die Beschaffenheit des Feindes mit
einer Sicherheit und Gründlichkeit erwägt, welche seinen Berechnungen einen sehr
hohen Grad von Wahrscheinlichkeit gibt, und sein Genie ist vielmehr, daß alle
diese bestimmenden Verhältnisse ihm schnell zu einem sehr deutlichen und richtigen
Bilde der Situation werden, welches ihm gestattet seine Entschlüsse rasch und
sicher zu fassen. Darf man einzelnes als seine Eigenart rühmen, so ist es gerade
der klare, feste, alles gleichmäßig wägende Geist, der nicht durch Schlauheit und
kleine Mittel militärische Erfolge sucht, weder durch Ehrgeiz noch durch die Auf-
regung des Kampfes beirrt wird, und dazu ein steter Wille, der nnverrückt das
letzte Ziel des Kampfes vor Augen hat und im entscheidenden Augenblick alles
daran zu setzen bereit ist. Es ist merkwürdig, daß er als Feldherr weder jung
noch alt erscheint; die härteste Kühnheit ist in seinen Operationen dicht neben
der sorglichsten Vorsicht; solange ihm der Feind unsicher ist, bedächtiges Zaudern,
sobald ihm die Elemente für eine Berechnung der Wahrscheinlichkeit gegeben
sind, der schnellste Entschluß. Bei solcher Begabung waltet er inmitten seiner
Getreuen vom Stabe über den stürmischen und ehrgeizigen Führern des deutschen
Heeres mit der Autorität eines überlegenen Geistes als ein treuer, selbstloser
Diener seines Kriegsherrn, als ein guter, unsträflicher Mann. Sein König be-
grüßte ihn einst in kleiner Tafelrunde der höchsten Führer dankend als das
Schwert des Reiches; dem deutschen Volke aber ist dieser stille Denker der
Schlachten ein ehrwürdiger Hausfreund geworden, zu dem es mit herzlichem Dank
und festem Vertrauen hinschaut.
Gustav Freytag; Verlag von S. Hirzel, Leipzig.
9. An Deutschland 187?.
1. Nun wirf hinweg den Witwenschleier,
Nun gürte dich zur Hochzeitsfeier,
O Deutschland, hohe Siegerin!
Die du mit Klagen und Entsagen
Durch vier und sechzig Jahr' getragen,
Die Zeit der Trauer ist dahin;
2. Die Zeit der Zwietracht und Be-
schwerde,
Da du am durchgeborstnen Herde
Im Staube saßest tiefgebückt
Und kaum dein Lied mit leisem Weinen
Mehr fragte nach den Edelsteinen,
Die einst dein Diadem geschmückt.
3. Wohl glaubten sie dein Schwert zer-
brochen.
Wohl zuckten sie, wenn du gesprochen,
Die Achsel kühl im Völkerrat;
Doch unter Tränen wuchs im stillen
Die Sehnsucht dir zum heil'gen Willen,
Der Wille dir zur Kraft der Tat.
4. Und endlich satt die Schmach zu tragen
Zerrissest du in sieben Tagen
Das Netz, das tödlich dich umschnürt,
Und heischtest, mit beherztem Schritte
Hintretend in Europas Mitte,
Den Platz zurück, der dir gebührt.