1913 -
München
: Lindauer
- Autor: Bauerschmidt, Hans
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Unser deutsches Vaterland.
Staaten angliederten und das zurückeroberte Elsaß-Lothringen als Reichsland
einverleibt wurde. Im Herzen Europas, an der Stelle, wo bisher Zerrissenheit
und Krastzersplitterung geherrscht hatte, war ein Staat entstanden, der auf
540743 Geviertkilometer über 40 Millionen Menschen umfaßte, die nach innen
und außen zur Einheit zusammengeschlossen waren. Damit war endlich die
Form gegeben, in der die Kraft des Deutschtums sich betätigen
konnte.
Freilich die Deutschen Österreichs blieben außerhalb, wie auch die Hoch-
deutschen der Schweiz und die Niederdeutschen Hollands und Belgiens sowie die
östlichen Außenposten in den Ostseeprovinzen und in Ungarn bei dem Einheits-
werk außer Betracht bleiben mußten: sonst aber waren alle Deutschen in Mittel-
europa vereinigt zu einem Bundesstaat, der stark genug war dem Zwecke zu
dienen, den die Reichsverfassung ihm vorschrieb: der Wohlfahrt des deutschen
Volkes.
Das war etwas völlig Neues in der Geschichte, eine Tatsache von um-
wälzender Bedeutung.
Die Deutschen, bisher gewohnt den Gegenstand der Politik fremder Mächte
abzugeben, waren durch die Einigung dazu gekommen, selbst wirksame Politik
dem Auslande gegenüber treiben zu können: das hieß, zum ersten Male in
der Geschichte konnte die gesammelte Kraft der Deutschen in den
Dienst einer nationalen Politik gestellt werden. Damit erst war
eine solche Politik wirklich möglich geworden.
Dies zeigte sich sofort durch zwei Erscheinungen: das neue Deutsche Reich
wurde zur maßgebenden Macht in Europa, ja in der Welt — ob auch der Neid
und Haß der anderen Völker bestehen blieb oder wuchs, die Kraft des Deutschen
Reiches wagte keines auf die Probe zu stellen und alle erkannten seine Macht-
stellung an; zum andern bot die geschaffene Einheit die Möglichkeit, die wirt-
schaftliche Kraft des Volkes frei zu machen und eine großartige Entwicklung
deutschen Gewerbefleißes und Handels einzuleiten.
Maßvoll und besonnen übten Kaiser Wilhelm und Fürst Bismarck — der
Dank seines Herrn hatte ihn dazu erhoben — die gewonnene Macht aus: kein
ungerechter Anspruch, den sie erhoben, kein Übergriff, den sie begingen; aber auch
kein Angriff gegen deutsche Rechte, den sie zugelassen hätten.
Neben der inneren Ausgestaltung des Reiches hielten sie es nach den
Lehren der Geschichte für ihre erste Pflicht, das deutsche Heer im Zustande der
Schlagfertigkeit zu erhallen, eine Waffe des Friedens und der Verteidigung,
nicht des Angriffes.
Bayern behielt völlig getrennte, Württemberg und Sachsen beschränkte
eigene Heeresverwaltung; alle übrigen Bundesstaaten unterstellten ihre Truppen
Preußen, wo die großen Helfer des Kaisers rastlos an der Erhaltung der Kriegs-
tüchtigkeit arbeiteten; es war aber dafür gesorgt, daß die Ausbildung und Be-
waffnung aller deutschen Truppenteile gleichmäßig werde.