1913 -
München
: Lindauer
- Autor: Bauerschmidt, Hans
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Wirtschciftspflege.
Entfernung der Menschen voneinander besteht dadurch in unserer Zeit für den
Nachrichtenverkehr eigentlich nicht mehr, zumal auch die drahtlose Telegraphie
immer größere Ausdehnung gewinnt.
Der durch alle die heute üblichen Transportmittel erleichterte Austausch von
Gütern und Nachrichten und die viel zahlreicheren Berührungen der Menschen
miteinander konnten nicht ohne Einfluß bleiben auf die Verkehrsmittel im weiteren
Sinne, auf Maß-, Münz- und Zahlungswesen. Hier drängte alles mit gebiete-
rischer Notwendigkeit auf die Vereinfachung und Einheitlichkeit der Maße und
Zahlungsmittel, dann aber auch zum Ersatz des für unsere wirtschaftlichen
Verhältnisse nicht mehr genügenden schwerfälligen Barzahlungssystems durch ein
bequemeres auf Kredit sich aufbauendes. Die alten Längen-, Flächen- und Ge-
wichtsmaße, bei denen unter denselben Bezeichnungen in den einzelnen Teilen
Deutschlands die verschiedensten Größen verstanden wurden und in dem-
selben Gebiet dasselbe Maß häufig verschieden groß war, je nach den Waren,
für die es verwendet wurde, machten einem einheitlichen, auf dem Meter auf-
gebauten System Platz. An Stelle der sechs Währungssysteme, die noch in der
Mitte des vorigen Jahrhunderts in Deutschland bestanden, gibt es jetzt ein
einziges und entsprechend wenige Sorten von Münzen. Die 1.40 verschiedenen
Papiergeldarten, noch am Anfang der siebziger Jahre von den höchsten Beträgen
herab bis auf Taler lautend, sind auf kaum ein halbes Dutzend zusammen-
geschmolzen. Zu den Banknoten und Kassenscheinen sind Wechsel und Schecks
getreten und der größte Teil unserer Zahlungen vollzieht sich heute auf dem
Wege der Verrechnung mit Hilfe besonderer Institute, der Banken.
Soviel zur Kennzeichnung des Gegensatzes von einst und heute im Verkehrs-
wesen. Der jetzige Zustand ist zum Teil ein Ergebnis der wirtschaftlichen Ent-
wicklung der letzten beiden Menschenalter, der gewaltigen Bevölkerungszunahme,
der Entdeckung und Anwendung früher nicht gekannter Kräfte, wie des Dampfes
und der Elektrizität, des Aufkommens neuer Betriebsformen, der Großbetriebe
und gesellschaftlichen Unternehmungen und aller aus dem Zusammenwirken dieser
Momente der menschlichen Gesellschaft gestellten Aufgaben, zum Teil hat aber das
Verkehrswesen diese Aufgaben mit herbeiführen helfen. Es hat die Hindernisse
und Verkehrsschranken beseitigt und dem Blute des volkswirtschaftlichen Körpers
einen lebhafteren Kreislauf ermöglicht, der den einzelnen Gliedern in erhöhtem
Maße zugute kommt. An dem kräftigen Gedeihen des volkswirtschaftlichen Körpers
hat aber niemand ein solches Interesse wie die Nation als Ganzes, der Staat,
und dieses Interesse des Staates ist mit der zunehmenden Bedeutung des Verkehrs-
wesens fortwährend gewachsen. Er weiß die Ordnung und die Beherrschung des
Verkehrs als wichtiges Machtmittel ebenso wie als Einnahmequelle zu schätzen.
Er hat sich deshalb gewisse Gebiete des Verkehrs, wie bei uns das Post- und
Telegraphenwesen, das Münzwesen, ausschließlich vorbehalten, in anderen, wie in
der Eisenbahn, spielt er die ausschlaggebende Rolle und nur wenige, wie die
Seeschiffahrt, hat er der privaten Unternehmungslust vollständig überlassen. Fast