1907 -
München
: Gerber
- Autor: Lex, Johann
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Städtische Gewerbeschule, Städtische Fortbildungsschule
- Regionen (OPAC): München
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
(Einleitung.
Der Wald des Elends.
Ein Volksmä t ch c n.
Eine finstere Nacht lag auf der Erde und lugte mit ihren unheim-
lichen Augen ans allen Ästen und Zweigen. Am Saume des Waldes
stand ein Jüngling und um ihn herum streckten hohe Baumstämme und
dichtes Gebüsch die langen Arme mich ihn zu umfassen. Vor ihm teilte
sich der steinerne Weg nach allen -Leiten und unentschlossen überlegte er,
welchen er einschlagen sollte. Plötzlich kam Bewegung in ihn und er schritt
eilig weiter, immer gerade ans, mit geschlossenen Augen, ganz in seine
Gedanken vertieft. Kaum merkte er, wie die Stämme und Sträucher sich
immer mehr eins dem andern näherten, bis er zuletzt über eine Wurzel
stolperte. Jetzt erst sah er, das; er den Weg verfehlt und sich inmitten
einer schaurigen Wildnis befand.
Er erhob sich und eilte wieder vorwärts, bald auf diesem bald ans
jenem Wege. Aber vergebens; denn wie er auch umherstreifte, stets mußte
er erkennen, daß er wieder an jenen Ort zurückkam, wo er gestrauchelt war.
Die Kräfte verließen ihn und der Hunger begann ihn zu peinigen. Er
bedeckte das Gesicht mit den Händen und schluchzte laut.
Als er den Kops wieder hob, standen drei Männer vor ihm, die er
vorher nicht gesehen, und er erbebte. Den ersten schmückte ein goldgesticktes
Kleid und um seine Hlifte lag ein glänzender Gürtel mit kostbaren Edel-
steinen. Der zweite trug ein schwarzes Gewand und einen roten Gürtel,
den dritten aber deckte kümmerlich ein blaues Wollhemd, das ein ein-
facher Lederriemen zusammenhielt, und in der Hand trug er eine große Axt.
„Was suchst du hier?" fragten alle drei zu gleicher Zeit.
„Ich sterbe," erwiderte der Jüngling; „habt Erbarmen mit mir!"
„Was willst du von uns?"
„Nichts, als daß ich so bald als möglich aus dem Walde heraus-
komme."
„So wähle einen von uns, der dich führen soll!"
Da nun den: Jüngling jener mit dem goldener: Gewand rrnd den
kostbaren Edelsteinen am besten gefiel, rief er ohne Zögern:
„Dich wähle ich!"
Der Mann irn goldener: Kleide lächelte, zeichte dem Jüngling die
Hand urrd die beider: anderer: verschwanden. Schweiger:d ging rurr: der
Jüngling hinter seinem Führer dreir: und mit schnellen Schritten ver-
folgter: beide ihrer: Weg. Aber obwohl Stunden vergingen, der Wald
nahm kein Ende.
„Ich bin milde," sprach der Jüngling er:dlich und blieb stehen; „ich
tarn: nicht weiter."
„Ja, der Weg ist rncht kurz ::r:d deine Füße sind schwach. Ich kann
dich vor: hier rncht hinausführen. Aber in wenigen Minuten wird eir:
Reisender hier vorbeikommen. Nimm dieses Schwert, eigne dir sein Pferd
an urrd dieses wird dich in wenigen Augenblicken hinaustragen!"