1907 -
München
: Gerber
- Autor: Lex, Johann
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Städtische Gewerbeschule, Städtische Fortbildungsschule
- Regionen (OPAC): München
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
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Fabrikant. Er kann also Arbeitsräume herstellen, Maschinen,
Werkzeuge und Rohstoffe anschaffen. Zur Beaufsichtigung und
Bedienung der Maschinen sind Arbeitskräfte erforderlich. Wen
besitzt diese? Die Arbeiter. Der Fabrikant braucht also die
Arbeiter; diese bedürfen der Fabrik, um ihre Arbeitskräfte ver-
werten zu können. Die Großindustrie schuf also zwei Klaffen,
die aufeinander angewiesen sind: die Klasse der Kapitalisten mit
den Mitteln zum Fabrikbetriebe und die Klasse der Lohnarbeiten
mit ihrer Arbeitskraft. Fabrik und Lohnarbeiter sind unzertrennlich.
Der Fabrikarbeiter folgt der Maschine wie ihr Schatten.
Woher kommen die zahlreichen Arbeiter? Aus allen Berufen
ohne Besitz: es sind Handwerker, die früher selbständig waren,
Bauern, die ihr Gütlein nicht halten konnten, Handwerksgesellen,
denen die Meister keine Arbeit mehr geben konnten.
Kl^nhand- Welches Los ist den Arbeitern beschieden?
^iverker und Zur Zeit, als sich die neue Wirtschaftsgemeinde entwickelte,
Lohnarbeiter. £,ar eg ejn recht betrübendes. Früher waren die Gesellen dazu
bestinunt Meister zu werden. Jetzt mußten sich manche Meister
darein finden Fabrikarbeiter zu werden. Die Großindustrie will
nicht Meister, sondern Arbeiter, „Hände". Das Los der meisten
Fabrikarbeiter ist daher Arbeiter zu bleiben, auf Lebenszeit.
a) ^Jridtfar Das Schicksal, aus einem selbständigen Handwerksmeister ein
schlesischen unselbständiger Fabrikarbeiter zu werden, traf besonders jene
ulch^Weber. Gewerbe, bei ivelchen die Maschine fast jede Arbeit übernehmen
konnte. Die Leistung des Spinners, des Webers u. a. wurde
durch die Maschine gewaltig überholt. Diese arbeitete viel billigen
als Menschenhand. Dem Weber drohte, arbeitslos zu werden,
wenn er seine Preise nicht erniedrigte; er tat es. Aber die
Maschine arbeitete noch billiger. Wieder erniedrigte er die Preise,
so sehr, daß er kaum mehr von dem Verdienste leben konnte.
Was an Arbeitslohn verloren gegangen, mußte durch Arbeitszeit
hereingebracht werden. 12, 14, 15 Stunden saß der Weber täglich
an seinem Webstuhle. Trotzdem sank der Verdienst unaufhaltsam,
unerbittlich, unwürdig. So war es möglich, daß in den vierziger
Jahren des verflossenen Jahrhunderts eine ganze Spinnerfamilie,
Mann, Frau und Kinder, bei allem Fleiße, wenn sie fast Tag
und Nacht am Spinnrade saßen, täglich nicht mehr als 2 Groschen
verdienen konnte. Die unausbleibliche Folge war eine schreckliche
Not sowie dumpfe Hoffnungslosigkeit. Dies sagen die Verse der
Dichterin Marie Stona:
Die Weber.
Ernst gehn vorbei die alten Weber,
von schwerer Bürde schwankt der Schritt,
sie tragen für die ganze Woche
gesponnen Garn nach Hanse mit.