1. Bd. 1
- S. 23
1913 -
Leipzig
: Poeschel
- Autor: Berthold, Willi, Pautsch, Otto, Kestner, Fritz, Fischer, Johannes, Schmidt, Benno, Rohrbach, Paul, Deumer, Robert, Mothes, Rudolf, Oßwald, Paul, Bracker, Willy, Reinhard, Rudolf, Heuss, Theodor
- Hrsg.: Schröter, Arthur
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Die Entstehung -es Deutschen Reiches
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Kaiser Napoleon Iii. nicht dulden konnte, daß ein anderer Staat
mehr Ruhm erworben habe als er. Und das französische Volk schrie
lauter als das Österreichs: „Revanche pour Sadowa“. Es war,
als wenn die Waffentaten Preußens seinem eigenen Ruhme Abbruch
getan hatten. Verstärkt wurde die Mißstimmung Frankreichs dadurch,
daß es von dem Plane, Luxemburg von Holland abzukaufen, durch
den starken Einspruch Preußens abstehen mußte, und zwar, nach-
dem die französische Regierung schon siegesgewiß den europäischen
Staaten von der baldigen Gebietsvergrößerung Mitteilung gemacht
hattet.
Es beginnen die diplomatischen Schachzüge Napoleons, die eine
Koalition gegen Preußen-Norddeutschland zu stände zu bringen
suchen. Bismarck aber durchschaut diese Pläne und erzwingt eine
Kriegserklärung Frankreichs, noch bevor dieses genügend gerüstet,
noch bevor die Koalition zu stände gekommen ist.
Die spanische Thronkandidatur bildete den Anlaß zum Ausbruch
des Krieges. Die unerhörten Ansprüche Napoleons, der dem Bot-
schafter in Paris den Gedanken eines Entschuldigungsbriefes des
Königs Wilhelm unterbreiten ließ und weiter dem Gesandten Bene-
detti die Weisung erteilte, vom preußischen König eine feste Bindung
für alle Zukunft zu verlangen, brachten die Entscheidung. Wilhelm
wies die Forderung Benedettis schlicht und vornehm zurück. Er hielt
die Angelegenheit damit und mit dem vorher schon ausgesprochenen
Rücktritt des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen von
der spanischen Thronkandidatur für erledigt und lehnte es deshalb
ab, den Gesandten noch einmal zu empfangen. Dadurch, daß Bis-
*) Luxemburg, das nach Auflösung des Deutschen Bundes ohne engen Zusammen-
hang mit den übrigen deutschen Staaten war, wurde auf einer Konferenz für
neutral erklärt, d. h. unter den Schuh der Großmächte gestellt, die preußischen
Truppen aus der Festung Luxemburg zurückgezogen und deren Werke geschleift.
Das Großherzogtum blieb aber im deutschen Zollverein, dem es heute noch an-
gehört. Dafür erhielt das Deutsche Reich 1871 durch Vertrag, vorläufig auf
42 Jahre, die Eisenbahnen in diesem Staate. Die Personalunion mit Holland
löste sich, als im Jahre 1890 in Holland die weibliche Linie mit der Königin
Wilhelmina zur Regierung kam. Seitdem ist Luxemburg ein eigener neutraler Staat,
in dem allerdings später, 1907, auch die weibliche Erbfolge zugelassen wurde.