1. Bd. 1
- S. 86
1913 -
Leipzig
: Poeschel
- Autor: Berthold, Willi, Pautsch, Otto, Kestner, Fritz, Fischer, Johannes, Schmidt, Benno, Rohrbach, Paul, Deumer, Robert, Mothes, Rudolf, Oßwald, Paul, Bracker, Willy, Reinhard, Rudolf, Heuss, Theodor
- Hrsg.: Schröter, Arthur
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
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Die Verfassung des Reiches usw.
Wachssteuergesetz von 1911, nach dem die Gemeinden 40°/0 des
Ertrages dieser Steuer erhalten sollen.
Eingehende Bestimmungen zur Regelung des Gemeindefinanz-
wesens in besonderen Gesetzen haben von den deutschen Staaten
nur Preußen in dem mustergiltigen Kommunalabgabengesetz vom
14. Juli 1893 und jüngst Hessen getroffen; Sachsen weist nur einen
mißglückten Versuch auf, doch ist bereits ein neuer Entwurf in
Arbeit. Vorschriften find vielfach in den Städte- und Gemeinde-
ordnungen enthalten oder sonst in den Gesetzen verstreut. Infolge-
dessen ist es schwer, einen kurzen klaren Überblick zu geben.
Nach dem preußischen Kommunalabgabengesetze dürfen die Ge-
meinden Steuern nur erheben, wenn die sonstigen Einnahmen, wie
Zinsen aus dem Gemeindevermögen, Gebühren usw. nicht ausreichen.
Indirekte Steuern können innerhalb der von den Reichsgesetzen ge-
zogenen Grenzen erhoben werden, direkte im allgemeinen nur aus-
hilfsweise, falls die indirekten und die übrigen Einnahmen zu-
sammen den Gemeindebedarf nicht decken; sie können auf den Grund-
besitz, den Gewerbebetrieb und das Einkommen gelegt werden.
Bezüglich des letzteren besteht jedoch die Einschränkung, daß die
Veranlagung zur Staatseinkommensteuer maßgebend sein muß und
daß lediglich gleichmäßige Zuschläge erhoben werden dürfen.
Für die Benutzung der von den Gemeinden im öffentlichen In-
teresse unterhaltenen Anstalten, wie Krankenhäuser, Schlachthöfe,
find sie befugt, Gebühren zu verlangen. Gewerbliche Unternehmungen
find grundsätzlich so zu verwalten, daß durch die Einnahmen min-
destens alle Ausgaben einschließlich der Verzinsung und Tilgung
des Anlagekapitales aufgebracht werden. Man nennt solche Unter-
nehmungen Gleichgewichtsbetriebe und solche, bei denen die
Ausgaben höher find als die Einnahmen, Zuschußbetriebe. Diese
find nur gestattet, wenn die Unternehmung einem öffentlichen Inter-
esse dient, das auf andere Weise nicht befriedigt werden kann. Der
Zug der Zeit geht aber dahin, Zuschuß- und Gleichgewichtsbetriebr
immer weiter in der Richtung auszubauen, daß sie Überschuß-
betriebe werden. Unter dem Drucke der unumgänglichen Aus-
gaben find die Gemeinden genötigt, auf die festen Einkünfte aus