1. Bd. 1
- S. 178
1913 -
Leipzig
: Poeschel
- Autor: Berthold, Willi, Pautsch, Otto, Kestner, Fritz, Fischer, Johannes, Schmidt, Benno, Rohrbach, Paul, Deumer, Robert, Mothes, Rudolf, Oßwald, Paul, Bracker, Willy, Reinhard, Rudolf, Heuss, Theodor
- Hrsg.: Schröter, Arthur
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
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Vie -rutsche Rechtspflege
Als Nebenstrafe an dem Vermögen ist Einziehung
(Konfiskation) zu nennen. Es können eingezogen werden so-
wohl die Verbrechensinstrumente (das Diebswerkzeug, die Mord-
waffe) als auch die Verbrechensprodukte (z. B. die gefälschten Bank-
noten). Das Unbrauchbarmachen von Schriften oder Abbildungen
ist zulässtg, wenn ihr Inhalt strafbar ist (z. B. eine Druckschrift
unsittlichen oder beleidigenden, aufhetzenden Inhaltes).
Eine ungemein häufige Strafart ist die Geldstrafe. Sie ist
insbesondere in den äußerst zahlreichen strafrechtlichen Nebengesetzen
angedroht, namentlich in den Zoll- und Steuergesetzen. Hier besitzt
sie auch die Eigentümlichkeit, daß ihre Höhe nach dem Werte be-
rechnet wird, auf den sich die strafbare Tat bezieht. So wird sie
berechnet z. B. in dem Vereinszollgesetze vom 1. Juli 1869 nach
einem Vielfachen der verbotswidrig ein-, aus- oder durchgeführten
Waren oder in den Steuergesetzen (Brausteuergesetz, Zuckersteuer-
gesetz, Reichsstempelgesetz) nach dem Betrage der vorenthaltenen oder
hinterzogenen Steuer oder Abgabe.
Die Geldstrafe besitzt weiterhin die Eigentümlichkeit, daß sie für
den Fall, daß sie nicht beigetrieben werden kann, in Freiheitsstrafe
umzuwandeln ist. Wird nämlich jemand z. B. wegen Beleidigung
zu 300 Mark Geldstrafe verurteilt, so hat er im Nichtzahlungsfalle
die hierfür ausgesetzte Freiheitsstrafe (1 Monat Gefängnis) zu ver-
büßen.
Ist die Strafe Vergeltung für verübte Missetat, so setzt sie schuld-
haftes Handeln des Täters, mithin Verantwortungsfähig-
keit voraus. Ohne Schuld, ohne verantwortliches Tun keine straf-
bare Handlung. Aber von Verschuldung kann nur bei Freiheit
des Willens gesprochen werden. Dagegen ist keine strafbare Hand-
lung vorhanden, wenn der Täter zur Zeit der Begehung der Hand-
lung bewußtlos, geistesgestört oder geisteskrank war, oder wenn er
durch unwiderstehliche Gewalt oder unabwendbare lebensgefährdende
Drohung zu ihr genötigt worden war. Ebensowenig wird Sühne
verlangt von einem in Notwehr handelnden Täter. Daher kann
ich einen Mordbuben, der mir mit erhobener Waffe entgegentritt, so-
fort mit meinem Stocke niederschlagen, ohne mich strafbar zu machen.