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- S. 51
1913 -
Grünstadt
: Riedel
- Autor: Böshenz, Jakob
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
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Aber ein finsteres Verhängnis scheint sich je und je an diese
Hochzeiten bayrischen Glanzes zu heften. Aeußere Ursachen, innere
Gebrechen nagten die kaum gewonnene Machtstellung an. Das Grund-
und Erbübel germanischen Wesens tritt uns, wie die zahlreichen
Stammes- und Dynastenkämpfe, die unseligen Länderteilungen zeigen,
kaum irgendwo so klar vor Augen als in der Geschichte Bayerns.
Aber auch kaum irgendwo trat jene echt deutsche Tugend der Treue
so herrlich in die Erscheinung als hier, wo sie Volk und Fürstenhaus
in der Jahrhunderte Lauf immer fester zusammenband.
Lange bevor die Stammväter des bayrischen Volkes sich im
Alpen- und Donaugebiete ansiedelten, hatten schon Männer einer
rauheren Zeit hier gefischt, gejagt und dem Boden bescheidene Gaben
an Früchten abgerungen. Ueber den Wassern des Starnberger-, Schlier-
und Chiemsees erhoben sich die roh gezimmerten Pfahlbauten einer
noch in den Kinderschuhen der Kultur stehenden Menschheit. Auf
dem kargen Boden der Hochebene bis ins Donautal hinab mühten
sich später keltische Siedler auf künstlich angelegten Feldern, den
Hochäckern, um dann endlich den erobernden Römern zu weichen,
die in jahrhundertelanger Anwesenheit wie am Rhein so auch hier
dauernde Spuren ihrer fortgeschritteneren Kultur zurückließen.
Ums Jahr 500 n. Chr. tauchten die Bayern auf, die zur Zeit
der Völkerwanderung als Markomannen und Quaden in Böhmen
und Mähren eingewandert waren, dem alten Sitze der keltischen
Bojer, nach welchen das Land Bojohaemum (Bojoheim, Böheim,
Böhmen) benannt wurde. Rur von kurzer Dauer war ihr Aufent-
halt im bergumkränzten böhmischen Kessellande, doch gerade lange
genug, daß dessen germanische Eroberer ihre weltgeschichtliche Be-
nennnng als „Bajuvarii" oder „Bajuwaren" ihm entlehnen durften.
In mächtigen Zügen überschritten sie, westwärts ziehend, in der Zeit
von 488 bis 620 n. Chr. das langgestreckte Waldgebirge um sich
sippenweise vom Fichtelgebirg über die Hochebene bis weit in die
Alpentäler Kärntens und der Steiermark hinein zu verbreiten, indes
westlich des Lech die Alamannen, vor den Franken weichend, sich
niedergelassen hatten.
Unter der Führung tüchtiger Volksherzoge aus dem Geschlechte
der Agilolfinger bildeten sie zunächst dem Germanentum ein festes
Bollwerk gegen die anstürmenden Slaven und Avaren und mögen
zu achtunggebietender Macht gelangt sein. Doch bald schon hatten
sie ihre Freiheit und Selbständigkeit gegen die Franken, die den
Alamannen folgend, ins Land eindrangen, zu verteidigen. Ein fast
hundertjähriger verzweifelter Freiheitskampf nahm mit der Ent-
thronung des letzten Agilolfingers, Tassilo, sein trübes Ende. Bayern
wurde fränkische Provinz.
Die Weltherrschaft der Franken konnte sich jedoch nach dem
Hinscheiden ihres Gründers nicht lange behaupten. Die fremden
Nationalitäten im Süden und Westen bildeten sich in ihren Sonder-
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