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1912 - Grünstadt : Riedel
24 Der Zug der Innigkeit, des Familienhaften, der noch immer durch das deutsche Volk ging, hat denn auch seit alters her bei uns innigere Fäden um Herrschaft und Gesinde geschlungen, als dies anderswo sein mochte. Rühmt man doch schon unsern germanischen Altvordern nach, daß sie den Sklaven eine menschlichere Behandlung angedeihen ließen als die Träger der damaligen feinen Kultur, die Griechen und Römer. Und wie viele Beispiele rührender gegen- seitiger Anhänglichkeit, Treue und familärer Zuneigung zwischen Herrschenden und Dienenden hat uns die deutsche Dichtung von der Urzeit bis auf unsere Gegenwart bewahrt! Die Aufhebung der Leibeigenschaft beseitigte indes erst einiger- maßen die tiefe soziale Kluft, die Herrschaft und Gesinde vonein- ander trennte und ermöglichte so recht die Aufnahme der Dienstboten in das Familienganze. Erst als Knecht und Magd mit der Familie des Hausherrn am nämlichen Tische sitzen durften, gehörten sie zum Familienkreis. In unserer Pfalz war dieses samiläre Verhältnis überall gang und gäbe und erstreckte sich soweit, daß, wenn auch das Dienstverhältnis längst gelöst war, das Familienhaupt der „Vetter", die Hausfrau die „Bas" blieb. Die neue Zeit hat hierin vieles geändert, nicht zum Vorteil der Familie und des Staates. „Bei vielen deutschen Bauernschaften ist der einzige Umstand, ob das ganze Haus einschließlich des Ge- sindes an einem Tische sitzt, maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob das Gesindeverhältnis dort schon ein rein rechtliches ge- worden ist oder ob es noch ein teilweise patriarchalisches sei, ob die alten Sitten überhaupt verschwunden sind oder ob sie festgehalten und fortgebildet werden. . . . Gerade durch das Ausschließen des Gesindes und Geschäftspersonals aus dem Kreise „des ganzen Hauses" ist es gekommen, daß jene Leute keine rechte Ehrfurcht mehr haben vor dem Hausvater, dem Meister, oder daß die Ehrfurcht jedenfalls nicht über ihre Dienst- und Lehrzeit hinausreicht. . . . Je mehr die freiwillige Anerkennung einer natürlichen Autorität in allen Beziehungen unseres bürgerlichen Lebens altfränkisch ward, umso sicherer mußten die späteren Geschlechter politisch haltlos und sozial meisterlos werden. (Riehl, „Die Familie".) Allerdings beruht das Verhältnis zwischen Herrschaft und Ge- sinde auf freiem Vertrag. Aber mindestens so hoch als die rechtliche und wirtschaftliche Seite des Dienstes steht dessen sittliche und ge- mütliche Seite. Gehorsam, Ehrerbietung, Ehrlichkeit, Treue, Genüg- samkeit, Verschwiegenheit, das sind Tugenden, die der Dienstbote nur im Familienkreise entwickeln und betätigen kann. Und wie sollte es einer Herrschaft möglich sein für das leibliche und geistige Wohl ihrer Untergebenen, deren Pflege eine religöse und sittliche Pflicht ist, sorgen zu können, wenn sie dieselben von dem familären Zu- sammenleben vollständig ausschließt! Immer noch gilt vom Herrschen-
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