1. 1
- S. 69
1912 -
Grünstadt
: Riedel
- Autor: Böshenz, Jakob
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
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höchste weltliche Macht nach dem Kaiser in sich vereinigte. „Er
hatte die oberste Richterstelle im Reiche selbst über der Fürsten
Person. Ja er stand sogar über dem König als Richter, und wenn
die Fürsten diesen verklagen wollten, sollten sie es nach dem
„Schwabenspiegel" vor dem Pfalzgrafen tun", („diz ere hat der
hohe phalzgrave von rine“). Konrad war es auch, der Heidelberg
zur Residenz des herrlichen Landes zu seinen Füßen erhob, auf
welchem nach kaum einem Menschenalter mit Otto dem Erlauchten
der erste Wittelsbacher einzog, 1225. Von nun an hieß es
„Bayern und Pfalz, Gott erhalt's".
Fruchtbare Reiser entsproßten dem ehrwürdigen Schyrenstamm,
Fürsten, welche an Geistes- und Herzensvorzügen, wie an Herrscher-
tugenden den großen Regenten der Weltgeschichte würdig zur Seite
gestellt werden dürfen, Männer, die „bei einiger Gunst des Schicksals
wohl imstande gewesen wären einen rheinischen Großstaat zu schaffen,
der als des Reiches Vormauer nach Westen dieses hätte schützen
können". Friedrich der Siegreiche hat in herrlichen Schlachten den
Befähigungsnachweis hiezu erbracht.
Eine Kelte von Teilungen aber verhinderte die Erfüllung
jenes Traumes, indem sie die Pfalzgrafschaft in eine Menge von
Teilen und Linien zerspitterten, von welchen „Kurpfalz" und „Zwei-
brücken" die bedeutendsten waren. Sie bildeten auch die Quelle
einer Unzahl dynastischer Streithändel, die während des ganzen
Mittelalters und noch und nachher in die schönen Gaue der Pfalz
die Schrecken blutiger Kriege trugen.
Das Emporkommen jener Unmenge von Herren und Stätchen
führte allmählich den Niedergang des Bauernstandes herbei, die
nach und nach Leibeigene geworden waren und nur noch als „Ware"
behandelt wurden. Unten den unaufhörlichen Kriegen hatten sie am
meisten zu leiden, da die Kriegführung sich darauf beschränkte die Dörfer
zu zerstören oder zu verbrennen und die Saaten zu verwüsten. „Nur
hinter den festen Kirchhöfen war Schutz, jeder Friedhof war ein
Bollwerk, in welchem sich die verwilderten Bauern sammelten, die
Waffen ergriffen, zuerst sich des Kriegsvolkes erwehrten und dann
selbst verheerende Raubzüge unternahmen". Als Muster einer solchen
mittelalterlichen Schutzwehr stellt sich uns der die Kirche umrahmende,
hoch ummauerte alte Friedhof von Großbocken heim dar,
welcher in den zahllosen Händeln der Leininger und Pfälzer oft
genug wiederhallen mochte von Krieg und Kriegsgeschrei.
Die entsetzlichen Kriegsnöte brachten nach und nach die Bauern
zum Bewußseiu ihres Elends, aber auch ihrer Kraft. Der Aufstand
vom Jahre 1525 warf die Brandfackel in eine Reihe pfälzischer
Adelssitze, nicht zum Heile für die Bauern, deren Hoffnungen im
Blute erstickt wurden.