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- S. 115
1912 -
Grünstadt
: Riedel
- Autor: Böshenz, Jakob
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
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Noch andere Aufgaben indes hat die Natur der ruhelosen
Kraft des Wassers aufgetragen. Zu mächtigen Gebirgen häufte es
die Leichen von Muscheln, Schnecken und sonstigen Meerestieren
auf, und anderwärts schleppt es ganze Bergkegel ins Tal, füllt
Schluchten, Täler und Seebecken mit Geröll und Bergschutt oder
führt sie als Schlamm hinaus ins Meer. Dessen Brandung und
Sturmfluten schlagen zerschmetternd gegen Sand und Felsenklippen,
deren Trümmer die Strömung an fernen Küsten als Neuland wieder
anspült.
Wie in das Walten der Natur, so greift das Wasser auch
tief in das Leben der Menschen ein. Schon der Genuß des Trink-
wassers erhöht das Wohlbehagen des Menschen; denn keine Flüssig-
keit besitzt seine kühlenden Eigenschaften. Ohne Wasser kann weder
Verdauung, noch Blutbildung vor sich gehen. Die Umwandlung
des Stärkemehles in Zucker, des Zuckers in Fett vollzieht sich unter
seine Mithilfe. Es ist einer der wichtigen Bestandteile des Blutes.
Welche wohltätigen Wirkungen übt nicht ein Bad auf den mensch-
lichen Körper aus! Und haben nicht unsere Mineralquellen Tausenden
von Leidenden schon Gesundheit und Frohsinn zugesprudelt! Dabei
leistet es unschätzbare Dienste in der Betätigung der Reinlichkeit.
Körper und Kleidung, Haus und Umgebung befreit es von der ge-
sundheitsschädlichen und schönheitswidrigen Gegenwart des Schmutzes,
in gleicher Weise Wohlbefinden und Behaglichkeit des Menschen er-
höhend und fördernd.
Aber „das Wasser wirkt auch als Erzieher der Menschen,
welche es kühn, gewandt, unternehmend macht, sie Kunstsinn lehrt
und zu vielen Erfindungen anleitet, sodaß sie Schiffe, Mühlen,
Kanäle, Docks, Leuchttürme bauen". Es führt den Seefahrer in
tausend Gefahren, zwingt ihn mit ihnen zu ringen, macht ihn furcht-
los und entschlossen, wenn es gilt „durch kühnes Wagnis hohen
Gewinn zu erlangen". Gerade hier gilt am meisten die alte Wahr-
heit: „Not macht erfinderisch!"
Welches Maß von Wissen und Bildung liegt zwischen dem
als Nachen dienenden Baumstamm des Indianers und dem eleganten
Schnelldampfer der „Hamburg-Amerika-Linie" oder des „Nord-
deutschen Lloyd" oder gar den Panzerkolossen unserer Kriegsmarine!
Welche Maschinen, Werkzeuge, Vorkehrungen, Dämme, Meß- und
Führerinstrumente hat der Mensch erdacht um das Wasser zu be-
nützen, um sich von seinen Launen unabhängig zu machen!
Das Wasser lockt den Menschen hinaus in die Ferne um Neues
zu schauen. Neues zu schaffen. Es verbindet als große Handels-
straße die fernsten Erdteile untereinander. Ja es leiht uns Flügel
des Dampfes um jene unendlichen Weiten mit größter Geschwindig-
keit und staunenswerter Bequemlichkeit zu durchmessen.
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