1912 -
Straßburg
: Bull
- Autor: Hauptmann, Emil
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule, Volksschule, Mittelschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Elsaß-Lothringen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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weiß ja nie, ob die Grenze auch frei ist, und welche Grenze. Ein Volk,
das man aushungern kann, muß die Waffen strecken, auch wenn es nicht
besiegt ist. Darum muß vorgesorgt werden, damit die Viehzucht den
Bedarf aller Reichsbürger schon im Frieden zu decken vermag. Und des-
wegen darf sie sich des Schutzes und der Förderung durch das Reich
erfreuen.
Ein Reichsgesetz schreibt vor, was bei ausbrechenden Viehseuchen zu
geschehen hat. Unserer elsaß-lothringischen Landesregierung aber bleibt es
vorbehalten, den Viehstand unseres Landes zu überwachen, zu sorgen, daß
sich die Seuchen nicht weiter verbreiten. Darum sind an vielen Orten des
Landes Tierärzte angestellt.
Besonders scharf aber überwacht die Reichsregierung die Reichsgrenzen,
damit nicht Seuchen aus fremden Ländern eingeschleppt werden. Sie kann
sogar die Einfuhr fremden Viehes ganz verbieten. Das ist notwendig
und nützlich. Nach Milliarden wird der Wert des deutschen Viehstandes
berechnet. Eine einzige Seuche könnte in kurzer Zeit Hunderte von
Millionen an Viehwerten vernichten.
Allerdings kann das Viehseuchengesetz auch eine Wirkung hervorrufen,
die das Gesetz nicht will. Wenn wegen Seuchen in den Nachbarländern
die Grenzen gesperrt werden müssen und zugleich das Vieh im eigenen
Lande knapp ist, dann gehen die Viehpreise in die Höhe, das Fleisch wird
teuer. Das ist ein Übelstand. Aber er muß getragen werden. Oder soll
wegen vorübergehend höheren Fleischpreisen der ganze deutsche Viehstand in
Gefahr gebracht werden?
Eine ähnliche Wirkung haben ja auch die Viehzölle. Damit der
Viehzüchter angeeifert werde, möglichst viel Vieh zu ziehen, verteuert das
Reich das fremde Vieh, das der Überstuß des Auslandes uns sendet, durch
den Zoll. Gewiß wäre es besser, wenn diese Verteuerung gespart werden
könnte. Das Reich muß aber nicht nur den Augenblick, es muß die Zu-
kunft bedenken. Es bewahrt uns dadurch vor großer Not in jenem
seltenen Fall, im Kriege.
Und wenn dieser Fall nie eintritt? Nun dann hat die Sorge der
Reichsregierung in anderer Weise Früchte gebracht. Indem sich der Vieh-
stand mehrt, vergrößert sich das Volksvermögen. Wohlhabende Bauern
werden keine darbenden Arbeiter, Handwerker, Kaufleute neben sich sehen.
Wenn es einem großen Berufszweige eines Volkes gut geht, hat auch
der andere zu tun.
Darum mag der elsaß-lothringische Viehzüchter unter dem Schutze
des Reiches getrost seinen Viehstand pflegen. Er fördert damit nicht nur