1912 -
Straßburg
: Bull
- Autor: Hauptmann, Emil
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule, Volksschule, Mittelschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Elsaß-Lothringen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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land-Westfalen 3,3 Millionen Tonnen, auf Südwest-Deutschland aber 3,4
Millionen Tonnen. In raschem Anlaufe schien der Südwesten Sieger werden
zu wollen, schien das größte Erzgebiet in Deutschland auch die bedeutendste
Eisenindustrie im Reiche zu entwickeln. Allein bald nach 1902 kam es bei
uns zum Stocken. Die zunächstliegenden Erzlager hatte man zuerst ausge-
beutet, es waren zugleich die zugänglichsten gewesen. Diese günstigen Lager
waren bald erschöpft. Jetzt mußte man an die entfernteren gehen, mußte
auch tiefer in die Erde steigen, um Erz zu bekommen. Gleichzeitig stiegen,
zufälligerweise, die Kohlenpreise. Jetzt bekam man es zu fühlen, daß die
lothringischen Erzlager so weit vom Ruhrgebiet entfernt lagen. (Saarkohlen
kann man nicht gut zu Koks umarbeiten. Koks ist aber zum Schmelzen
des Erzes nötig.) 1907 lieferte der Nordwesten 5,5 Millionen Tonnen
Roheisen, der Südwesten nur noch 4,9 Millionen. (Davon entfielen etwa
2 Millionen Tonnen auf Lothringen.) Schon vorher hatte man die Kanali-
sation von Mosel und Saar verlangt. Nun begann man dringlicher zu
rufen, lauter zu fordern. Die Süddeutschen verglichen ihre Arbeit mit der
der Norddeutschen und fanden, daß jene es viel leichter hätten als sie. Eine
Tonne Roheisen erfordert bei uns viel mehr Herstellungskosten als im Norden,
so sagten und sagen heute noch die Süddeutschen.
Auch diesen Dingen müssen wir nachgehen, wenn wir den Streit ganz
verstehen wollen. Die Herstellungskosten umfassen nicht nur die Arbeitslöhne,
sondern auch die Kosten für Kohlen und Erz, besonders aber für die Kohlenfracht.
Zu einer Tonne Roheisen sind eine Tonne Ruhrkoks und 31 /3 Tonne
Minette nötig. Ihren Ruhrkoks kann bis jetzt die südwestdeutsche Gruppe
nur durch die Eisenbahn beziehen. Wie jeder weiß, sind aber die Frachten
auf der Eisenbahn ziemlich hoch und werden es immer sein. Solange also
kein anderer Weg für die Kohlenbeförderung gebaut ist, kann unsere lothringische
Eisenindustrie ihr Roheisen nur unter hohen Kosten herstellen. Dagegen ist
die Fracht auf dem Schiffe bekanntlich viel, viel billiger als die auf den
Eisenbahnen. Die Bahnfracht für eine Tonne Ruhrkoks von Ruhrort nach
Algringen beträgt heute 7,70 Mk., die Wasserfracht würde sich nur auf
5,09 Mk. stellen. Folglich bedeutete die Kanalisierung von Mosel und Saar
für die lothringische Eisenindustrie für jede Tonne Kohlen eine Verringerung
der Selbstkosten von 2,61 Mk. Bei den rund 2,3 Millionen Tonnen, die
allein in Lothringen jährlich verbraucht werden, würde das einen Gewinn
von rund 6 Millionen Mark im Jahre bedeuten.
Auch nach der vorsichtigsten Rechnung würden Lothringen und Luxem-
burg, wenn die Mosel kanalisiert wäre, allein 5,5 Millionen Mark jährlich
an Koksfrachten sparen. Dazu kommt, daß die erzeugte Ware, das Roheisen,