1912 -
Straßburg
: Bull
- Autor: Hauptmann, Emil
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule, Volksschule, Mittelschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Elsaß-Lothringen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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und Schweden) aber bleiben sich gleich. Wohl aber werden durch den
Kanal die Herstellungskosten der südwestdeutschen Eisenindustrie so gering,
daß sie niedriger stehen als in Rheinland-Westfalen. Lothringisch-luxem-
burgisches Eisen würde infolgedessen in Menge auf den Markt kommen, würde
das rheinisch-westfälische (gerade wegen der geringeren Herstellungskosten in
Lothringen-Luxemburg) im Preise unterbieten.
Zuletzt wird der norddeutschen Eisenindustrie, so sagt sie, nichts übrig
bleiben, als ihre jetzigen Hochöfen auszublasen und neue in Lothringen oder
Luxemburg zu bauen. Das könnte uns nur angenehm sein. Nicht so aber
der preußischen Regierung. Wenn die Hochöfen in Rheinland-Westfalen nicht
mehr brennen, steht eine Millionenbevölkerung in Preußen brotlos da. Sie
kann ja auswandern nach Lothringen und Luxemburg, wird man entgegnen.
Eine solche Auswanderung aber wird jede Regierung zu verhindern suchen.
Denn das kostbarste Kapital eines Staates sind seine Bürger.
Sie arbeiten, mehren den allgemeinen Wohlstand, auch den des Staates,
denn sie zahlen ihm Steuern. Je volkreicher ein Staat, desto mächtiger,
sicherer steht er da. Preußen kann also unmöglich zusehen, wie Millionen
seiner Bürger den Wanderstab ergreifen und seinen Boden verlassen. Aus-
wanderung der Industrie heißt auch Auswanderung des Kapitals. Preußen
will nicht selber den Anlaß geben, daß auch das Kapital seine Länder ver-
läßt, besonders ein solches Riesenkapital, wie es in seiner Eisenindustrie steckt.
Ein drittes kommt hinzu. Preußen fürchtet noch einen andern Ver-
lust. Die preußischen Eisenbahnen sind Staatseigentum. Was sie an Frachten
einnehmen, fließt in die preußische Staatskasse. Wenn also künftighin der
Ruhrkoks nicht mehr auf der Bahn, sondern auf Rhein-Mosel befördert
wird, muß die preußische Staatskasse mit einem hohen Verluste rechnen.
Der oberste Beamte der preußischen Eisenbahnen hat diesen Verlust mit
24 Millionen Mark im Jahre berechnet. Die 24 Millionen müßten wieder
auf andere Weise eingebracht werden, z. B. durch Steuern. An diesen aber
hätten alle Preußen zu zahlen, auch die große Mehrheit derer, die keinen
Vorteil vom Kanal hätten. (Ein Vorteil wäre allenfalls, außer für die
Eisenindustrie, für die Anwohner der Mosel vorhanden.) So erklärt der
preußische Staat: Ich kann die Mosel nicht kanalisieren.
An diesem Widerstande scheitert vorläufig der ganze Kanalplan.
Zwingen kann man Preußen nicht, wie kein Staat im Reiche den andern
zu etwas zwingen kann. Aber Preußen mag von seinem Standpunkte aus
noch so sehr recht haben, bedauerlich bleibt für unser Lothringen immerhin,
daß an diesem Widerstande ein Plan scheitern muß, der unserm Lande nur
Segen bringen könnte.