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1. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 75

1912 - Straßburg : Bull
75 Mode, bedruckte Stoffe zu tragen, nimmt bei uns immer mehr ab, und die fremden Länder, die früher solche Stoffe kauften, Rußland, Ungarn, Nordamerika, haben eigene Stoffdruckereien errichtet und schließen durch hohe Zölle ihre Grenzen gegen unsere bedruckten Stoffe. Auch auf diesem Gebiete wird sich also unsere Industrie ein neues Feld der Tätigkeit suchen müssen. Warum aber schützt das Reich die feinen elsässischen Garne nicht besser? Bis zur Stunde kann die deutsche Weberei die englischen Garne nicht entbehren. England allein lieferte ihr im Jahre 1910 für rund 190 Millionen Mk. Wollen- und Baumwollengarn. Soviel vermöchte unsere elsässische Industrie niemals zu erzeugen. Das englische Garn müßte also doch eingeführt werden. Der Zoll aber würde unsern Webern ihren Roh- stoff nur verteuern. Es hieße darum ihren Gewinn schmälern, wenn das Reich den Zoll sehr hoch setzte. Wieder wird uns deutlich, wie das Reich, der Staat, das allgemeine Wohl zu schützen und zu fördern hat. Wenn Frankreich fremdes Garn mit hohem Zoll belegen kann, so liegt das z. T. wohl auch daran, daß es noch große Schafherden besitzt, den Rohstoff also teilweise im eigenen Lande hat, während im Deutschen Reiche bei der dichten Bevölkerung der Boden viel zu kostbar ist, als daß er der Schafweide überlassen werden dürfte. Jedes Land hat eben seine besonderen Sorgen, seine besonderen Bedürfnisse und muß sich nach diesen einrichten. Im ganzen darf man wohl sagen: auch unsere Textilindustrie hat von der Wiedervereinigung unserer Heimat mit dem Deutschen Reiche mehr Vorteile als Nachteile gehabt. Sie stand 1871 so stark da, daß sie nicht nur von einer glänzenden Eroberung des deutschen Marktes hätte träumen dürfen, sondern sie schien auch bestimmt, der Führer der gesamten deutschen Textilindustrie zu sein auf ihrem Eroberungszuge durch die Welt. Alles war vorhanden, was sie brauchte: ein Land, dessen Bevölkerung sich reißend mehrte, die also fortwährend neue Käufer stellte, Käufer, die von Jahr zu Jahr wohlhabender wurden; für sich selbst billige Wasserkräfte zum Antrieb der Maschinen. Wohl liegt sie weit ab von den volkbelebten Städten Nord- deutschlands, wohl haben ihre Waren hohe Frachten bis zur See hin zu tragen. Aber unsere Textilindustrie vermochte ihre Eroberungen nicht zu be- haupten. Seit etwa zwei Jahrzehnten büßte sie sogar den stolzen Platz innerhalb der deutschen Textilindustrie ein, den sie von 1871—1890 noch eingenommen hat. 1,435 Millionen elsässische Baumwollspindeln haben 1871 nur 3 Millionen altdeutsche sich gegenüber gesehen. Bis zum Jahre 1909 hatte Altdeutschland seine Zahl beinahe verdreifacht, zählte es 8,6 Millionen Spindeln. Das Elsaß war mühsam auf 1,568 Millionen auf-
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