1910 -
Leipzig
: Voigtländer
- Autor: Heuß-Knapp, Elly
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Frauenschule
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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vorstand die Polizeigewalt zu. Von der Ortspolizei werden im
wesentlichen Wohlfahrtspflege und Sicherheitsdienst versorgt,
während die Landespolizei, deren Beamtenkörper die Gendarmerie
bildet, in der Hauptsache gerichtliche Ausgaben hat.
Die Gemeinde ist eine Vereinigung von Menschen, die den
gleichen Ort bewohnen, zur Regelung gemeinsamer Aufgaben.
Zum Unterschied vom Staat hat die Gemeinde keine Sou-
veränität; sie hat nicht die Macht, ihre Befehle und Verordnungen
zu erzwingen. Die Vollstreckungsgewalt findet sie allein beim
Staate. Dieser kann ihr einen Teil seiner Ausgaben zur Aus-
führung überlassen. Er überträgt ihr häufig die Polizei, ferner
das Einziehen von Steuern usw.
Geschichtliches: Im Mittelalter waren die einzelnen
Stadtgemeinden sehr selbständig; eine große Anzahl von Städten
waren reichsunmittelbar, d. h. sie hatten keine andere staatliche
Obrigkeit als den Kaiser. Verwaltet wurden sie von selbst-
gewählten Bürgermeistern und dem Rat der Stadt, in welchem
die einzelnen Stände (z. B. Adel und Zünfte) um die Herrschaft
kämpften. Nach und nach versuchten die territorialen Landes-
herrn die Macht der Städte zu brechen. Der Gedanke des ab-
soluten Staates setzte sich durch, der die Staatsgewalt zu zentrali-
sieren sucht. Im 18. Jahrhundert war der Wirkungskreis der
Gemeinden fast völlig vernichtet. In Preußen führt erst die
Stein-Hardenbergsche Gesetzgebung (Städteordnung 180*) den
Grundsatz der Selbstverwaltung der Gemeinden wieder ein. Der
Staat behält sich nur Aufsichtsrechte vor. Die noch heute gültige
gesetzliche Grundlage der Gemeindeordnung ist für die sieben öst-
lichen Provinzen die Städteordnung von 1853. Die übrigen
Provinzen haben besondere Ordnungen. — Man unterscheidet
überall zwischen Stadtgemeinden, Landgemeinden und Guts-
bezirken.
Ähnlich wie der Staat für ein großes Territorium hat die
Stadtgemeinde für ihren Bezirk mannigfaltige Aufgaben, deren
Lösung für den einzelnen Bewohner nicht möglich wäre. Die
Gemeinde sorgt für den Verkehr durch Bau, Erhaltung, Be-
leuchtung der Straßen, Brücken, Plätze. Für die Gesundheit der
Bewohner durch Straßenreinigung, Kanalisation, Wasser-
versorgung, Badeanstalten, Parkanlagen, Anlage der Kirchhöfe,
Krankenhäuser, Schlachthäuser usw. Für die öffentliche Sicher-
§ 15. Die Gemeindeverfassung
Aufgaben der Stadtgemeinde.