1915 -
Berlin
: Heymann
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fachschule, Fortbildungsschule
- Regionen (OPAC): Preußen
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<2. Rarwiese
In unserem Lalle besteht die Vorhut des Armeekorps ans \ Eskadron
Kavallerie, \ Regiment Infanterie, \ Abteilung Artillerie, \ Pionier-
kompagnie, i Divisions-Brückentrain und % Sanitätskompagnie. Der Führer
der Vorhut hat, nachdem er den Entschluß des kommandierenden Generals
in Befehlsform erhalten hat, selbständig seinen Auftrag durchzuführen.
Da nach der Meldung der Kavallerie die vorhandene Brücke nur für In-
fanterie passierbar ist, so muß der Divisions-Brückentrain vorgezogen werden,
um mit i)tlfe der Pioniere eine zweite Brücke an geeigneter Stelle zu schlagen.
Ein Divisions-Brückentrain enthält das Material für eine Kolonnenbrücke
von einer Länge von 35 m. Diese kann von einer Pionierkompagnie in einer
halben bis einer Stunde hergestellt werden.
während die Brücke geschlagen wird, setzt die Infanterie der Vorhut
über die vorhandene, die auch einzelne Reiter trägt, ihren Vormarsch fort.
Eben hat die Vortrupp-Kompagnie*) die Brücke erreicht, als aus einem
vorgelagerten Gehöft Schüsse fallen. Einige Leute der Kompagnie werden
verwundet. Im „Marsch — Marsch" gewinnt die Kompagnie das andere
Ufer, schwärmt aus und nistet sich in einiger Entfernung von der Brücke
seitlich in einen Graben ein, um einmal den übrigen drei Kompagnien
durch eigne Feuereröffnung das Überschreiten zu erleichtern, dann aber auch,
um die feindlichen Geschosse, die bei einer Stellungnahme in gerader Linie
vor der Brücke diese dennoch treffen würden, abzulenken.
Sobald die auf etwa 400 m Entfernung folgende vordere Kompagnie
des Vortrupp-Bataillons ebenfalls in geöffneter Ordnung die Brücke über-
schritten hat, um die Gefechtslinie der im Gefecht stehenden Kompagnie
zu verlängern, räumt der Gegner, abgesessene Kavallerie, das Gehöft und
erscheint nach einer weile wieder hinter einem langgestreckten Höhenrücken,
um erneut den Übergang P500 w Entfernung) unter Feuer zu nehmen,
hierdurch soll unsere Marschkolonne zur Entfaltung**) gezwungen werden,
wodurch Zeitverlust entsteht, während die beiden vordersten Kompagnien
sprungweise, ohne zu feuern, gegen die pöhe vorgehen, folgen die beiden
andern auf 300 m Entfernung, ebenfalls zu Schützenlinien aufgelöst, das
heißt entwickelt, da das Gelände keinerlei Deckung bietet. Das Feuer des
Gegners wird nicht erwidert, weil die nur schwache Besetzung der pöhe und
die geringe Wirksamkeit des eignen Feuers auf jsoo m keinen Erfolg ver-
spricht, und der Vormarsch der Vorhut nur noch weiter aufgehalten würde.
Unsere Infanterie geht grundsätzlich im Angriffsgefecht so nahe an
den Gegner heran, bis sie Aussicht auf gute Schußwirkung hat. Gestattet
es daher das feindliche Feuer, so wird angestrebt, mit der Feuereröffnung
nicht vor 800 m Entfernung zu beginnen.
Die abgesessene feindliche Kavallerie beabsichtigt nicht, sich mit der
Infanterie in ein längeres Gefecht einzulassen. Ein Kopf nach dem andern
*) Der Vortrupp ist eine von der Vorhut wiederum vorgeschobene Sicherungs-
abteilung.
**) Unter Entfaltung des Bataillons versteht man das Auseinanderziehen der
vier Rompaqnien mit Tiefen- und Seitenabstand unter Beibehaltung der geschlossenen
Ordnung, zwecks Verminderung der Verluste.