1915 -
Berlin
: Heymann
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fachschule, Fortbildungsschule
- Regionen (OPAC): Preußen
Raimund Kölner
W
Iii. Ebenso wichtig wie für die Wirtschaft ist der hochentwickelte Verkehr-
für das geistige Leben der Völker. Er erleichtert das Reisen und trägt
dadurch wesentlich zur Erweiterung des Gesichtskreises der Menschen bei.
Er verbreitet die Errungenschaften der Wissenschaft und Technik ebenso wie
die Runde von wichtigen Ereignissen rasch über die ganze Welt. Er ermöglicht
der presse, täglich eine nicht zu unterschätzende Menge Wissensstoff auch
dein ärmsten Großstadthaushalt und dem abgelegensten Bahnwärterhäuschen
zuzuführen. Ihm verdanken wir es, daß wir miterleben können, was sich
Bedeutsames in weitentlegenen Ländern vollzieht.
wie das wirtschaftliche und das geistige Leben, so wird auch jede andere
menschliche Betätigung aufs stärkste vom Verkehrswesen beeinflußt, so
das Familienleben (Aufrechterhaltung von Beziehungen zwischen vonein-
ander entfernten Familiengliedern), die sozialen Verhältnisse (Freizügigkeit),
das Rechtswesen (Vereinheitlichung des Rechts für größere Gebiete, z. B.
Ausdehnung des Reichsrechts auf die bürgerlichen Rechtsbeziehungen durch
das Bürgerliche Gesetzbuch), die Verwaltung (Stärkung der Zentralgewalt
durch die Möglichkeit jederzeitigen Eingreifens).
Vas Verkehrswesen hat zu einer Reihe von internationalen Verträgen
geführt (weltpostvertrag mit seinen Nebenabkommen, internationale Über-
einkommen über den Eisenbahnfracht- und den Telegraphenverkehr, sowie
unzählige Einzelverträge). Es hat auch zuerst sogenannte internationale
Verwaltungsgemeinschaften hervorgebracht rnit Ämtern, die nicht einem
bestimmten Staate, sondern der Gemeinschaft von verschiedenen Staaten
dienen (Internationale Bureaus des Weltpost- und des welttelegraphen-
vereins, Internationales Zentralamt für den Eisenbahntransport, sämtlich
in Bern).
Auch die Rriegführung hat sich durch das moderne Verkehrswesen
völlig verändert, wenn gesagt wird, daß der heutige Rrieg ein Rrieg der
Technik ist, so muß hinzugefügt werden, daß hierbei nicht an letzter Stelle die
Verkehrstechnik steht.
B. Die einzelnen Zweige des Verkehrswesens.
Ia. Infolge der großen Bedeutung, die das Verkehrswesen für jede Art
nrenschlicher Lebensbetätigung besitzt, hat ihm der Staat von jeher besondere
Aufmerksarnkeit zugewendet. — Die Römer legten ein großartiges Netz
von guten Landstraßen an (z. B. die via Appia von Rom nach Eapua,
im H. Jahrhundert v. Ehr. erbaut), das aber später verfiel. Rarl der Große
brachte vorübergehend neue Ordnung in die Verwaltung des Landstraßen-
wesens. Aber erst gegen Ende des Mittelalters und besonders zu Beginn
der neueren Zeit begann der Staat wieder für gute Landstraßen zu sorgen,
in jdreußen z. B. unter Friedrich dem Großen. — Napoleon I. schuf, ähnlich
wie die Cäsaren, für militärische Zwecke ein vorzügliches Straßennetz, Mit
der Verbreitung der Eisenbahnen ging die Bedeutung der Landstraßen zwar
verhältnismäßig zurück; absolut nimmt ihre Zahl aber auch jetzt noch zu.
Durch das Aufkommen des Fahrrades und besonders des Automobils haben