1895 -
Stuttgart
: Lung
- Autor: Schuster, Werner
- Hrsg.: ,
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1894
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Regionen (OPAC): Württemberg
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
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glaubigt auswärtige Gesandte, beruft, eröffnet, vertagt und schließt den Bundesrat
und Reichstag und ernennt und entläßt die Reichsbeamten. Zur Kriegserklärung ist
aber die Zustimmung des Bundesrates, zum Abschlüsse von Verträgen, insoweit sie
sich mlf solche Gegenstände beziehen, welche in den Bereich der Reichsgesetzgebung ge-
hören, diejenige des Bundesrates und Reichstages notwendig.
Der Bundesrat besteht aus den Vertretern der Bnndesmitglieder. Von den
58 Stimmen, die er zählt, kommen 17 auf Preußen, 6 aus Bayern, je 4 auf
Sachsen und Württemberg, je 3 ans Baden und Hessen, je 2 auf Brannschweig und
Mecklenburg-Schwerin und je 1 aus die übrigen 14 Bundesstaaten und die 3 freien
Städte. Den Vorsitz bei den Verhandlungen führt der Reichskanzler. Der Bundes-
rat beschließt die Vorlagen, welche dem Reichstage zu machen sind und bestätigt oder
verwirft die von letzterem gefaßten Beschlüsse. Abänderungen der Reichsverfassung
können nur durch eine Mehrheit mit von mindestens 45 Stimmen beschlossen werden.
Der Reichstag hat zusammen 397 Abgeordnete. Diese werden durch allgemeine
und unmittelbare Wahlen auf 5 Jahre gewählt. Die Abstimmung ist geheim. Wähle n
darf jeder deutsche Staatsbürger, der über 25 Jahre alt ist, und zwar in dem Orte, in
welchem er seinen Wohnsitz hat. So lange jemand beim Militär ist, kann er nicht wählen.
Vom Wählen ausgeschlossen sind Entmündigte, ferner solche, welche sich zur Zeit der
Wahl in Gant befinden, denen die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen sind und die ans
öffentlichen Armenkassen Unterstützung erhalten oder während des der Wahl vorhergegangenen
Jahres bezogen. Wählbar ist jeder deutsche Staatsbürger, der das 25. Lebensjahr
zurückgelegt hat. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen und mindestens eine Stimme
über die Hälfte aller im Wahlkreise abgegebenen Stimmen bekommt. Erreicht ein Gewählter diese
Stimmenmehrheit nicht, so tritt Stichwahl zwischen ihm und demjenigen Wahlgegner ein,
der außer ihm die meisten Stimmen erhielt. Württemberg wählt 17 Abgeordnete.
Die Verhandlungen des Reichstags sind öffentlich. Bei Abstimmungen
entscheidet Stimmenmehrheit; doch ist der Reichstag nur beschlußfähig, wenn mehr als
die Hälfte der Mitglieder anwesend sind.
Der Reichstag kann während der 5 Jahre, für welche er gewählt ist, durch Beschluß
des Bundesrates mit Zustimmung des Kaisers aufgelöst werden. In diesem Falle muß
innerhalb 60 Tagen die Wahl erfolgen und der neue Reichstag binnen 00 Tagen (vom
Tage der Auflösung an) versammelt werden.
Gesetzesvorschläge können vom Bundesrate oder Reichstage eingebracht
werden. Haben beide Teile einem Gesetzesvorschlage zugestimmt, so wird er dadurch
zum Reichs ge setz. Dem Kaiser steht die Ausfertigung, Verkündigung und Über-
wachung der Ausführung der Reichsgesetze zu.
Das Reich giebt Gesetze über das Zoll- und Handelswesen, das Heimats- und
Niederlassungsrecht, das Staatsbürgerrecht, den Gewerbebetrieb, das Versicherungswesen,
die Kranken- Jnvaliditäts- und Altersversicherung, die Kolonisation, die Auswanderung,
das Militär- Post- Eisenbahn- und Bankwesen, die Besteuerung von Salz, Tabak,
Branntwein, Rübenzucker und Bier; über das bürgerliche Recht, das Strafrecht, das
Gerichtswesen, die Presse, das Vereinswesen, das Münz- Maß- und Gewichtssystem,
den Schutz bei ansteckenden Krankheiten der Menschen und Tiere und die Fremdenpolizei.
Die Reichsgesetze gehen den Landesgesetzen vor.
Da bei der Gründung des deutschen Reiches die einzelnen Bundesstaaten sich
zur Bestreitung ihrer eigenen Auslagen die direkten Stenern vorbehalten haben, so
kann das deutsche Reich nur indirekte Steuern erheben. Es bestreitet seine Ausgaben