1895 -
Stuttgart
: Lung
- Autor: Schuster, Werner
- Hrsg.: ,
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1894
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Regionen (OPAC): Württemberg
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
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Jeder Bürger ist verpflichtet, eine auf ihn gefallene Wahl anzunehmen und den Ver-
handlungen des Ausschusses beizuwohnen. Die Mitglieder des Bnrgerausschnsses
wählen auf die Dauer von zwei Jahren aus ihrer Mitte einen Obmann und einen
Stellvertreter desselben.
Rechte der Gemeindevertretung. Von den mancherlei Rechten der Ge-
meindevertretung sei das Steuerbewilligungsrecht besonders erwähnt.
Der Wohlstand einer Gemeinde hängt wesentlich davon ab, wie ihre Einnahmen und
Ausgaben ins Gleichgewicht gebracht werden. Zu diesem Zweck hat der Ortsvorsteher
alljährlich einen Voranschlag auszuarbeiten. Letzterer ist nichts anderes als ein
Verzeichnis der wahrscheinlichen Ausgaben und Einnahmen für das kommende Rech-
nungsjahr, d. h. vom 1. April bis 31. März. Der Gemeinderat und der Bnrger-
ansschuß haben den Voranschlag zu beraten, zu genehmigen, bezw. abzuändern unter
dem Vorbehalt der endgültigen Genehmigung von seiten des Oberamtes. Alljährlich
werden die Einnahmen und Ausgaben in der Gemeinderechnung zusammengestellt
und vom Oberamt geprüft.
Pflicht der Gemeindevertretung ist es, zum Wohl der Gemeinde die
örtlichen Bedürfnisse sorgfältig zu beobachten und zu befriedigen.
In Landgemeinden z. B. kann durch die Pflege des Obstbaues, der
Viehzucht, d u r ch V e r b e s s e r u n g d e r F e l d w e g e, d e r G r u n d st ü ck e infolge
Bewässerung und Entwässerung, durch Vornahme der Feldbe-
reinigung u. s. w. viel Segen gestiftet werden.
Der Gemcindeschaden. Zur Bestreitung ihrer Ausgaben sind die
Gemeinden z u n ä ch st auf den Ertrag ihres e i g e n en Vermögens an-
gewiesen. Reichen aber die eigenen Einkünfte (Revenüen) nicht aus,
so wird der Rest aus geschlagen oder „umgelegt." Das umzulegende nennt
man Gemeindeschaden (Kommunalstenern). Zu demselben werden herangezogen
in erster Linie die steuerpflichtigen Grundstücke, Gebäude und Gewerbe, Kapital-
Dienst- und Berufseinkommen. In solchen Gemeinden, in welchen die Gemeindeschadens-
nmlage größer ist als der Betrag der von derselben Gemeinde erhobenen Staatssteuer von
Grundeigentum, Gebäuden und Gewerben, dürfen auch örtliche Verbrauchsabgaben
von Bier, Fleisch und Gas erhoben werden. Solche Umlagen bedürfen der Genehmigung
durch das Ministerium und sind im Regierungsblatt bekannt zu geben. Eine althergebrachte
Gemeindesteuer ist die Wohust euer. Sie wird erhoben von allen im Gemeinde-
bezirk wohnenden und selbständig ans eigene Rechnung lebenden Personen und beträgt
in Gemeinden erster Klasse 4 Ji., in Gemeinden zweiter Klasse 3 Ji. und in Ge-
meinden dritter Klasse 2 Ji. Selbständige Frauen zahlen die Hälfte.
Gemeindenutzungen (Holzgaben, Allmandteile u. s. w.) erhalten nur die Bürger,
die das 25. Lebensjahr vollendet haben, im Gemeindebezirk wohnen und selbständig
auf eigene Rechnung leben. Eine Witwe verbleibt im Genuß derjenigen Nutzung, welche
ihr Ehemann anzusprechen hätte, wenn er noch am Leben wäre. Nichtbürger haben
keinen Anteil, sind aber wie die eigentlichen Bürger zur Benützung der öffentlichen
Gemeindeanstalten berechtigt und zur Teilnahme an den Gemeinde lasten ver-
pflichtet. Gemeindedienste können für Gemeindezwecke, insbesondere zur Er-
haltung der öffentlichen Wege, der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, angeordnet
werden. Zum Gemeiudedienst sind alle selbständigen steuerpflichtigen Einwohner der Ge-
meinde verpflichtet, zur Leistung von Fuhren aber nur diejenigen, welche Zugtiere
halten. Dasselbe gilt bei Wassers- und „Feuersnot, Unglücksfällen. Befreit sind Personen
über 65 Jahre, Beamte, Geistliche, Lehrer, Ärzte, Militärpersonen.