1902 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mehrklassige Volksschule
- Regionen (OPAC): Reuß (Jüngere Linie)
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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und der Ärzte Kunst ihm die erhoffte Genesung nicht gebracht hatten.
Als Christ und Held hatte er sich mit stiller Ergebung in sein schweres
Leiden gefunden; aber jetzt litt es ihn nicht mehr auf fremdem Boden;
schon am 10. März eilte er in sein Königreich und wurde an der
Grenze von dem gesamten Staatsministerium empfangen. Es war ein
herzbewegender Anblick, als in Leipzig der todeskranke Kaiser den Reichs-
kanzler Fürsten Bismarck in die Arme schloß und ihn dreimal auf die
Wangen küßte. Schon die Eisenbahnfahrt von Leipzig nach Charlottenburg
war den Geschäften der Regierung gewidmet. Zu Tausenden war am
Orte der Ankunft das Volk versammelt, um trotz der wehmütigen
Trauer den Heimkehrenden mit lautem Hurra zu begrüßen.
Wohl selten hat ein Volk mit mehr Liebe und Vertrauen zu
seinem neuen Herrscher emporgeschaut als das deutsche zu Kaiser
Friedrich Iii. Geboren 1831, am Jahrestag der Schlacht bei Leipzig,
war er, eine echte Siegfriedgestalt, bald als unser Fritz der Liebling
des Volkes und seiner Armee. An der Seite seines siegreichen Vaters
hat er die Größe Preußens und die Einheit Deutschlands mit erstritten;
ihm verdankt das preußische Volk den Sieg bei Königgrätz; unter seinen
Augen wurde in dem großen Kriege gegen Frankreich der erste Sieg
erkämpft; er führte als Feldmarschall die deutschen Krieger von Sieg
zu Sieg. Keiner war besser im stände, das Werk Kaiser Wilhelms
fortzuführen und das deutsche Volk mit fester Hand zu schützen in
schwerer Zeit, in welcher Feinde ringsum es bedrohten. Das Ver-
trauen des Volkes zu seinem neuen Herrscher wurde noch vergrößert
durch dessen erste öffentliche Ansprache: „An mein Volk" und „An den
Reichskanzler," in welcher es heißt: „Ich bringe meinem getreuen Volke
mein rückhaltloses Vertrauen entgegen. Mein ganzes Bestreben wird
sein, das Werk in dem Sinne fortzuführen, in dem es begründet wurde,
Deutschland zu einem Horte des Friedens zu machen, und Ich gelobe,
ein gerechter und in Freud und Leid ein treuer König zu sein. Un-
bekümmert um den Glanz ruhmbringender Großthaten, werde ich zufrieden
sein, wenn dereinst von Meiner Regierung gesagt werden kann, sie sei
Meinem Volke wohlthätig, Meinem Lande nützlich und dem Reiche ein
Segen gewesen. Gott wolle Mir seinen Segen und Kraft zu diesem
Werke geben, dem fortan Mein Leben geweiht ist!" —
Wie zündeten diese Worte in dem deutschen Volke! Aber leider
sollte es Kaiser Friedrich nicht mehr vergönnt sein, die großen Hoffnungen
zu erfüllen, welche das Volk mit Recht auf ihn setzte; denn seine ganze,
leider so kurze Regierungszeit war ein ununterbrochenes, aber geduldig
ertragenes Leiden. Doch wenn auch schon mit dem Tode ringend, ver-