1910 -
Bochum
: Westfäl. Verl.- und Lehrmittel-Anst.
- Hrsg.: ,, Kamp, Kaspar
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Schule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Eign^ (16. Juni). Diese Nachricht machte die Fürsten schnell wieder einig.
Sie sandten aufs neue ihre Heere gegen Napoleon. Von Belgien her rückten
Blücher und der englische General Wellington vor. Um die Vereinigung der
beiden zu verhindern, warf sich Napoleon bei Lignp zuerst auf Blücher.
Die Preußen wurden trotz ihrer Tapferkeit besiegt. Blücher selbst geriet in
große Gefahr. Sein Pferd erhielt einen Schuß und stürzte zu Boden. Stöhnend
lag der Greis unter der schweren Last. „Nostitz, ich bin verloren!" rief er seinem
Adjutanten zu. Dieser zog seinen Degen und hielt neben seinem Herrn Wache.
Mehrmals sausten die französischen Reiter an dem Verwundeten vorüber, ohne
ihn zu erkennen. Als er endlich von Preußen unter dem Pferde hervorgezogen
worden war, sprach er: „Schreibt dem König: Geschlagen, aber nicht bezwungen."
Waterloo.. (18. Juni.) Nun wandte sich Napoleon gegen Wellington, der
bei Waterloo mit Engländern, Hannoveranern, Braunschweigern, Nassauern
und Niederländern Aufstellung genommen hatte. Blücher hatte versprochen,
ihm sein ganzes Heer zu Hilfe zu schicken. Aber unendlicher Regen ging hernieder
und machte die Wege grundlos. Rastlos feuerte der Heldeugreis seine Truppen
an: „Vorwärts, Kinder!" „Es geht nicht, Vater Blücher." „Es muß gehen,
ich habe es ja versprochen, soll ich wortbrüchig werden?" Und es ging. Inzwischen
rangen Wellington und Napoleon in verzweiflungsvollem Kampfe. Immer mehr
lichteten sich die Reihen der Engländer. Wellington rief aus: „Ich wollte, es
wäre Nacht oder die Preußen kämen!" Endlich, gegen 5 Uhr, erschienen diese
auf dem Kampfplatze. Um 8 Uhr waren die Franzosen vollständig geschlagen.
Napoleon entging mit knapper Not der Gefangennahme. Westfälische Landwehr-
leute erbeuteten seinen Wagen nebst Hut und Degen. Dieser Sieg entschied
Napoleons Schicksal. Schon drei Wochen später Zog Blücher in Paris ein.
Ende Noxoleons. Jetzt wurde zum zweiten Male in Paris Frieden
geschlossen. Ludwig Xviii. kehrte zurück. Frankreich hatte im ganzen 700
Millionen Frank Kriegskosten zu zahlen. Napoleon verzichtete zugunsten seines
Sohnes auf die Krone. Er selbst wurde ans die öde Felseninsel St. Helena
verbannt. Hier starb er am 15. Mai 1821 am Magenkrebs, kaum 52 Jahre alt.
Napoleon war einer der größten Feldherrn aller Zeiten. Zugleich verstand
er sich trefflich auf die Kunst zu regieren. Er wußte aber nicht seine Herrschsucht
zu zügeln. ^Sein rücksichtsloser Wille hat namenloses Unglück über ganz Europa
gebracht. Seinetwegen haben in 11 Jahren vier Millionen Menschen ihr Leben
lassen müssen. Doch hat er auch sehr viel Gutes bewirkt. Frankreich
erhielt nach der Revolution seine Ruhe wieder, Noch heute besteht in der Haupt-
sache die Verwaltung und Rechtspflege so, wie sie Napoleon schuf. Im übrigen
Europa wurde Napoleon der Anstoß zur Beseitigung vieler veralteter Zustände,
so der Leibeigenschaft, Klassenvorrechte und der Willkürherrschaft mancher Fürsten.
Napoleon gab dem alten deutschen Reiche den Todesstoß. Viele Klein-
staaten verschwanden. Verwaltung, Handel und Wandel erfuhren manche Verbesserung.
Der wiener Kongreß. Nach dem zweiten Pariser Frieden wurden die
Verhandlungen über die Neuordnung Europas in Wien fortgesetzt. Preußen
erhielt fast alle Gebiete zurück, die es vor dem Tilsiter Frieden besessen hatte.
Von den polnischen Besitzungen bekam es aber nur Posen, Danzig und Thorn,
die übrigen sielen an Rußland. Außerdem wurde ihm die Hälfte des König-
reichs Sachsen, Jülich und Berg, Cöln und Trier, das weltliche Münsterland,
Dortmund und Siegen zugesprochen. (Aus den westlichen Erwerbungen wurden
die Provinzen Westfalen und Rheinland gebildet.) — An Stelle des alten
deutschen Kaiserreiches trat der Deutsche Buud, zu dem im ganzen -10 Staaten
gehörten. Die gemeinsamen Angelegenheiten regelte der Bundestag, der von
Vertretern aller Staaten beschickt wurde. Er tagte in Frankfurt a. M. Österreich
führte den Vorsitz.