1873 -
Oldenburg
: Stalling
- Autor: Stacke, Ludwig Christoph
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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6 wni Kcrdmos. — Qedipus und seine ^öhne.
X üf/ J jß In Phönizien herrschte ein König Namens Agenor. Seine
Tochter Europa erging sich einst am Gestade des Meeres,
, j'' C' als ein wunderschöner weißer Stier ihre Aufmerksamkeit auf
6stc*\ stch zog. Er benahm sich so sanft und fromm, daß die
Jungfrau dreist wurde und sich auf seinen Rücken schwang.
Plötzlich setzte sich der Stier in Bewegung, stürzte sich mit
seiner schönen Bürde ins Meer und trug sie der Insel Kreta
zu. Hier nahm er seine eigentliche Gestalt an: Zeus selbst
war es, der die Jungfrau entführt hatte.
Der alte König Agenor war untröstlich über den Verlust
seiner Tochter und ertheilte seinem Sohne Kadmos den
Auftrag, sie in der ganzen Welt aufzusuchen, ja er ging so
weit, ihm selbst die Rückkehr in die Heimath zu verbieten, wenn
er die Schwester nicht gefunden hätte. Kadmos machte sich
auf die Wanderung, aber alle seine Bemühungen, die verlorene
Europa zu finden, waren vergeblich. Da ihm nun des Vaters
harter Spruch die Heimkehr unmöglich machte, so fragte er
das Orakel um Rath, wo er sich eine neue Heimath suchen
sollte. Der Gott befahl ihm, an dem Orte eine Stadt zu
gründen, zu welchem ihm eine Kuh den Weg zeigen würde.
Kadmos machte sich auf, fand die verheißene Kuh und folgte
ihr nach. Sie leitete ihn nach Böotien und da, wo sie sich
niederließ, legte er den Grund zur Stadt Theben. Nun
wollte Kadmos die Kuh der Athene opfern und sandte seine
Gefährten zu einer Quelle, um Wasser zu holen. Die Quelle
war von einem Drachen bewacht, der die meisten seiner Ge-
fährten tödtete. Kadmos erlegte ihn und säete dann auf
Athenens Rath die Drachenzähne. Daraus wuchsen gewapp-
nete Männer empor, die bald mit einander in Streit geriethen
und sich bis auf fünf gegenseitig tödteten, die Ueberlebenden
halfen ihm die neue Stadt bauen. Von Kadmos heißt es,
er habe phönizischen Gottesdienst und die Buchstabenschrift in
Griechenland eingeführt. In der Folge wanderte er freiwillig
aus Theben und zog nach Jllyrien, wo er und seine Gemah-
lin in Schlangen verwandelt wurden.