1901 -
Neuwied [u.a.]
: Heuser
- Autor: Wagner, Georg, Schneider, Karl Theodor
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Einklassige Volksschule, Zweiklassige Volksschule
- Regionen (OPAC): Schleswig-Holstein
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Sage und Geschichte.
215
er war zu unbehende.
Mit flinkem Hiebe schlug Roland
ihm unterm Schild die linke Hand,
daß Hand und Schild entrollten.
14. Dem Riesen schwand der Mut
dahin,
wie ihm der Schild entrissen;
das Kleinod, das ihm Kraft verliehn,
mußt' er mit Schmerzen missen.
Zwar lief er gleich dem Schilde nach,
doch Roland in das Knie ihn stach,
daß er zu Boden stürzte.
15. Roland ihn bei den Haaren griff,
hieb ihm das Haupt herunter;
ein großer Strom von Blute lief
ins tiefe Thal hinunter.
Und aus des Toten Schild hernach
Roland das lichte Kleinod brach
und freute sich am Glanze.
16. Dann barg er's unterm Kleide gut
und ging zu einem Quelle;
da wusch er sich von Staub und Blut
Gewand und Waffen helle.
Zurücke ritt der jung' Roland
dahin, wo er den Vater fand
noch schlafend bei der Eiche.
17. Er legt' sich an des Vaters
Seit',
vom Schlafe selbst bezwungen,
bis in der kühlen Abendzeit
Herr Milon aufgesprungen:
„Wach' auf, wach' auf, mein Sohn
Roland,
nimm Schild und Lanze schnell zur
Hand,
daß wir den Riesen suchen!"
18. Sie stiegen auf und eilten sehr,
zu schweifen in der Wilde;
Roland ritt hinterm Vater her
mit dessen Speer und Schilde.
Sie kamen bald zu jener Statt',
wo Roland jüngst gestritten hätt';
der Riese lag im Blute.
19. Roland kaum seinen Augen
glaubt',
als nicht mehr war zu schauen
die linke Hand, dazu das Haupt,
so er ihm abgehauen,
nicht mehr des Riesen Schwert und
Speer,
auch nicht sein Schild und Harnisch
mehr, —
nur Rumpf und blut'ge Glieder.
20. Milon besah den großen Rumpf:
„Was ist das für 'ne Leiche?
Man sieht noch am zerhau'nen Stumpf,
wie mächtig war die Eiche.
Das ist der Riese! Frag' ich mehr?
Verschlafen hab' ich Sieg und Ehr';
drum muß ich ewig trauern." —
21. Zu Aachen vor dem Schlosse
stund
der König Karl gar bange:
„Sind meine Helden wohl gesund?
Sie weilen allzu lange.
Doch seh' ich recht? Auf Königswort,
so reitet Herzog Heimon dort,
des Riesen Haupt am Speere!"
22. Herr Heimon ritt in trübem Mut,
und mit gesenktem Spieße
legt' er das Haupt, besprengt mit Blut,
dem König vor die Füße:
„Ich fand den Kopf im wilden Hag,
und fünfzig Schritte weiter lag
des Riesen Rumpf am Boden."
23. Bald auch der Erzbischof Turpin
den Riesenhandschuh brachte,
die ungefüge Hand noch drin;
er zog sie aus und lachte:
„Das ist ein schön Reliquienstück;
ich bring' es aus dem Wald zurück,
fand es schon zugehauen."