1901 -
Neuwied [u.a.]
: Heuser
- Autor: Wagner, Georg, Schneider, Karl Theodor
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Einklassige Volksschule, Zweiklassige Volksschule
- Regionen (OPAC): Schleswig-Holstein
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Sage und Geschichte.
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Bauern Wolf Jsebrand in der Nähe von Hemmingstedt eine Schanze er-
richtet, das Dusendüwelswarf genannt, und erwarteten hier etwa 1000 Mann
stark den Feind.
Am Montag, dem 17. Februar, gegen Morgen hatte sich der Nordwest-
wind, der schon seit dem Abend vorher wehte, zum Sturme entwickelt, der
rastlos schwarze Wolken über das Land dahintrieb und ihren Inhalt, Regen,
Hagel und Schnee mit einander vermischt in wilden Schauern zur Erde
schleuderte. Hans von Ahlefeld, der Feldmarschall, riet vom Aufbruch ab,
und einige holsteinische Adelige, die die Marsch wohl kannten, stimmten ihm
bei; aber Junker Slenz, der Anführer der zu dem Heereszuge angeworbenen,
aus Landsknechten bestehenden großen Garde, hatte nur Spott und Hohn
für ihre Ängstlichkeit.
Der Aufbruch ward befohlen, und unter Trompetenklang ging es die
Norderstraße Meldorfs entlang. Voran marschierte die Garde. Junker Slenz
im goldenen Harnisch an ihrer Spitze, die gewaltige, riesenmäßige Erscheinung,
auf die jeder Landsknecht mit Stolz und Vertrauen blickte. Übermütig zog
das stolze Corps dahin, seine Banner wehten, und aus rauhen Kehlen er-
scholl der Schlachtruf: „Wahr di, Buer, de Gard de kummt!" So ging's
in die fette Marsch hinein.
Aber ein fürchterliches Stück Arbeit war es, auf dem Wege fortzu-
kommen. Das Schlachtgeschrei der Garde, ja fast alles Reden im Zuge
verstummte nach und nach völlig. Die aus den breiten Seitengräben auf
den Weg geworfene Kleierde, die noch nicht festgetreten gewesen war, war
vom Regen vollständig aufgeweicht, und die Füße der Menschen, die Hufe
der Rosse sanken tief in den zähen Schlamm und lösten sich schwer wieder.
Dabei sauste der Sturm fort, und kalter Regen, Schnee und Hagel fuhren
den Marschierenden ohne Aufhören ins Gesicht, auf die die Waffen hal-
tenden Hände, die nach und nach erstarrten, auf die Kleidung, die bald auch
völlig durchnäßt war und den Leib fröstelnd erzittern ließ. So näherte
man sich allmählich dem Dusendüwelswarf. Noch war die Schanze bei dem
strömenden Regen nicht zu erkennen; alles, soweit das Auge blickte, war ein
ödes Grau, Himmel und Erde gleichsam verschlingend. Da blitzt es plötzlich
auf, dann ein Donner, eine Kugel fährt dicht an Junker Slenz und dem
neben ihm reitenden Hauptmanne vorbei. Der Zug stockt unwillkürlich,
aber Slenz weiß ihn schnell wieder zu beleben. „Jetzt haben wir die Bauern!"
ruft er. „Wahr di, Buer, de Gard de kummt!" Die Garde wiederholte
den Schlachtruf, und ihr in zahllosen Schlachten erprobter Mut, die Gewiß-
heit, am Feinde zu sein, der Drang, vorwärts zu kommen, erwärmt für
einen Augenblick die kältestarren Glieder. Auf Anordnung des Führers be-
ginnt man, die Notbrücken über die Gräben rechts und links zu legen; die
Schützen gehen vor und legen ihre Büchsen auf die Gabeln; aber das Pulver
ist feucht geworden, und kein Schuß geht los. Von der Schanze her kommt