1901 -
Neuwied [u.a.]
: Heuser
- Autor: Wagner, Georg, Schneider, Karl Theodor
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Einklassige Volksschule, Zweiklassige Volksschule
- Regionen (OPAC): Schleswig-Holstein
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Sage und Geschichte.
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dann drückt mich Müh’ den ganzen
Tag,
dass meine Kinder gross und klein
sich ihrer Feierstunde freu’n !“
Gewiss, so hat der Held gedacht;
er hat sein Denken wahr gemacht.
Drum, wo man Gutes liebt und ehrt,
sein Angedenken ewig währt;
und jedes Kindlein ehrfurchtsvoll
den Edlen kennen lernen soll.
Fröhlich.
283. (262 a.) König Friedrich und sein Nnchhnr.
Der König Friedrich Ii von Preußen hatte acht Stunden von Berlin
ein schönes Lustschloß und war gern darin, wenn nur nicht ganz nahe dabei
die unruhige Mühle gewesen wäre. Denn erstens stehen ein königliches Schloß
und eine Mühle nicht gut neben einander, obgleich das Weißbrot auch in dem
Schlosse nicht übel schmeckt, wenn die Mühle fein gemahlen und der Ofen
wohl gebacken hat. Außerdem aber, wenn der König in seinen besten Ge-
danken war und nicht an den Nachbar dachte, auf einmal ließ der Müller
seine Mühle klappern und dachte auch nicht an den Herrn Nachbar; und die
Gedanken des Königs störten zwar das Räderwerk der Mühle nicht, aber
manchmal das Klapperwerk der Räder die Gedanken des Königs. Eines Tages
ließ er den Müller zu sich kommen. „Ihr begreift," sagte er zu ihm, „daß
wir zwei nicht neben einander bestehen können. Einer muß weichen. Was
gebt Ihr mir für mein Schlößlein?" Der Müller sagte: „Wie hoch haltet
Ihr es, königlicher Herr Nachbar?" Der König erwiderte ihm: „Wunderlicher
Mensch, so viel Geld habt Ihr nicht, daß Ihr mein Schloß kaufen könnt.
Wie hoch haltet Ihr Eure Mühle?" Der Müller erwiderte: „Gnädigster Herr,
so habt Ihr auch nicht so viel Geld, daß Ihr mir meine Mühle abkaufen könnt.
Sie ist mir nicht feil." Der König that gern ein Gebot, auch das zweite
und dritte, aber der Nachbar blieb bei seiner Rede: „Sie ist mir nicht feil.
Wie ich darin geboren bin, so will ich darin sterben, und wie sie mir von
meinem Vater erhalten worden ist, sollen sie meine Nachkommen von mir
erhalten und auf ihr den Segen ihrer Vorfahren ererben." Da nahm der
König eine ernsthaftere Sprache an. „Wißt Ihr auch, guter Mann, daß ich
gar nicht nötig habe, viele Worte zu machen? Ich lasse Eure Mühle schätzen
und breche sie ab. Nehmt alsdann das Geld oder nicht!" Da lächelte der
unerschrockene Müller und erwiderte dem König: „Gut gesagt, allergnädigster
Herr, wenn nur das Kammergericht zu Berlin nicht wäre!" — nämlich, daß
er es wollte auf einen richterlichen Ausspruch ankommen lassen. Der König
Der ganze Ghor fiel jubelnd ein:
„Der alte Fritz will König sein
und weiss nicht mal, dass dieser Frist
des Mittwochs keine Schule ist!“ —
Der König stille vor sich lacht
und hat in seinem Sinn gedacht:
„Wie reich bist, liebe Einfalt, du!
Ich alter Mann hab’ keine Ruh’;
des Morgens ruft mich Sorge wach;